Flachlandtraining

Mittwoch, April 11, 2012

Traditionell fastet man ja vor Ostern. Ich trage mich mit dem Gedanken, eventuell nach Ostern zu fasten. Nötig hätte ich es jedenfalls.

Zu Ostern ist die gesamte –timekiller- Familie nach Oldenburg gefahren. Vati hatte sich in den Kopf gesetzt die freie Zeit zum sporteln zu nutzen, und da in München das Radfahren immer zu kurz kommt, wollte ich den Urlaub in Oldenburg zum Flachlandtraining nutzen. München und Radfahren ist irgendwie doof, man riskiert Kopf und Kragen bis man überhaupt erstmal „Draußen“ im Grünen ist, bevor man sich konditionell zugrunde richten kann.

Es war dann ein etwas schwierigeres Unterfangen, die Familie, Gepäck und das Tri-Bike im Auto zu verstauen, aber nachdem  die Taschen mehrmals umgepackt wurden und das Rad zunehmend zerlegt wurde, klappte auch das.

Während der Fahrt, die seeeehr lange dauerte, begann bereits die Völlerei. Es ist unglaublich was man während einer sieben stündigen Autofahrt so alles  wegfuttern kann, und wir haben da nicht etwa an Selleriestangen rumgeknabbert.

Meinen ersten Bauchentlastungslauf habe ich dann auch gleich am darauffolgenden Tag mit Volker dem Deichläufer absolviert. Wir verbanden das Angenehme mit dem Praktischen und holten seinen roten Flitzer von der 10km entfernten Werkstatt ab. Das war ein guter Trainingseinstieg nach meiner 10 tägigen Laufpause.  Danach ging es zügig nach hause zum Kaffee trinken, Oma hatte extra gebacken, da kann man ja nicht Nein sagen…

Am Donnerstag früh stand dann Radtraining auf dem Programm. Über MapMyRun habe ich mir einen Rundkurs von ca. 40 km ausgetüftelt, der fast durchgängig auf Radwegen zu bewerkstelligen ist.  Ja, ich gestehe, ich bin ein Radwegfahrer, auch wenn das in den Augen der sonstigen Radrennfahrern offensichtlich verpönt ist, nutze ich einen vorhandenen Radweg, wenn er nicht gerade mit Schlaglöchern übersäät ist.

Ich wollte mal sehen was im Flachen so möglich ist und stieg gleich ordentlich in die Pedale. Ein 35km/h Schnitt sollte  ja  möglich sein, ist ja so schön flach hier. Zu Anfang sah das auch noch ganz gut aus, aber mit zunehmender Streckenlänge hatte ich das Gefühl dass der Gegenwind massiv zunimmt.  Das wunderte mich zwar ein bisschen da man an den Bäumen an denen ich vorbei zischte keinerlei Regung erkennen konnte.

–Hm, muss wohl so ein fieser Bodenwind sein, sehr selten-

Die letzten 10 Kilometer hing ich dann auch  ganz gewaltig in den Seilen. Die Oberschenkel gingen ja noch, aber der Arsch und die Lendenwirbel schmerzten höllisch, ist doch mein Sitzapparat eher an bequeme Schreitischstühle gewöhnt als an schmale und harte Sättel.

Schlussendlich konnte ich die Runde mit einem knappen 30er Schnitt verbuchen. Naja, das, hätte auch ein bisschen schneller sein können, hätte ich nicht zweimal die Fortführung des Radweges auf der anderen Straßenseite suchen müssen.

Gleich nach der Rückkehr von der „Tour de Friesland*“ hat mir meine Frau gerade noch eine Dusche gegönnt, und dann ging es auch schon weiter zum gemeinsamen „Bummeln“ in die Oldenburger Innenstadt.   Vor dem Gang durch die Innenstadt steht aber IMMER ein ausgedehnter Besuch der Oldenburger Stofftruhe auf dem Programm. Und ich hasse Stoffläden. Ich habe meine halbe Kindheit in solchen Stoffhöllen zugebracht. Während meine Mutter sich durch die Welt der Kurzwaren wühlte, zog meine Kindheit ungenutzt an mir vorbei. Und jetzt bin ich wieder an so einen Stoffjunkie geraten.  Meist sind die Länden in schmucklosen und unattraktiven Räumen in noch öderer Umgebung untergebracht, und bieten dem gelangweilten Begleiter nicht mal einen Schemel, auf dem er auf  Erlösung warten kann, weil alles zugestellt ist mit riesigen Tischen auf denen sich die Stoffballen türmen. Ich gehe da nicht mehr mit rein, allein beim Geruch dieser Läden (die übrigens alle gleich riechen) bekomme ich Ausschlag. Ich bleibe lieber draußen im Auto sitzen höre Radio und warte geduldig. Alles andere würde sich ungünstig auf den Fortbestand meiner Ehe auswirken.

Ich wartete also geduldig und bekam langsam Hunger. Das einzig essbare, das nach unserer Trans-Germany Tour noch im Auto verblieben ist, war eine halbe Packung „Saurer Erdbeer Spaghetti“. Nach dem ich die sauren Nudeln verputzt habe, leckte ich vor lauter Hunger noch die verbliebenen Säure-Brösel aus der Packung.  Hunger hatte ich jetzt zwar noch immer, nun aber mit einem pelzigen Gefühl auf der Tsunge. Wie ich im Begriff bin, die Sitzritzen nach etwas essbarem zu durchforsten, erlöst mich endlich meine Frau.

„Super, ich muss SOFORT was essen…“ flehe ich.

Meine Frau unternimmt auch keinen Versuch mehr mich noch zu einem Abstecher bei XY zu überreden, sondern wir fahren direkt in die Innenstadt, suchen einen Parkplatz und schaffen es auch nicht mehr bis zur Stammkneipe, wo ich sonst alle zwei Stunden mein Einkaufs-Kräusen-Pils einnehme, um bei Laune zu bleiben. Wir steuern gleich einen Imbiss an, der von Außen einen ordentlichen Eindruck macht, das Mekado in der Lange Straße. Ich bestelle einen „Arabic Rollo“, etwas größeres konnte ich auf die schnelle nicht auf der Karte  finden.  Das kurze Warten wird mit einer ordentlichen Portion Rollo mit Arabic Soße, einem Salat und rotem Tomaten-Kräuter-Paprika Mus belohnt. Ich inhaliere förmlich den Rollo. Die Arabic Soße schmeckt ganz vorzüglich, auch wenn meine Tsunge noch immer etwas taub ist. Ich mampfe den Rollo mit großem Appetit. Meine Frau fragt irgendwann, ob es nicht zu scharf sei, ich verneine und mampfe weiter. Wenig später fragt sie mich ob wirklich alles in Ordnung sei. „Ja, wieso?“ „Du schwitzt!“ Und tatsächlich, ich habe Schweißperlen auf der Stirn, auch mein Haupthaar ist im Ansatz schon ganz feucht, es lösen sich die ersten Tropfen und laufen den Nacken hinunter. Weitere Tropfen folgen.

Komisch, ich spüre keine Schärfe, aber mein Körper spricht eine andere Sprache. Ich beginne mit der Serviette zu tupfen, aber das Fassungsvermögen ist schnell erreicht. Ich versuche die Geschmacksknospen meiner  geschundenen, und offenbar verwirrten Zunge mit der roten Soße zu besänftigen, die ist sicherlich milder. Denkste…

Ich spüre nichts, aber meine Drüsen geben Vollgas. In kürzester Zeit habe ich mein T-Shirt durchgeschwitzt. Ich hatte angenommen, während meiner Ausfahrt schon genug geschwitzt zu haben, aber das sind wohl noch Reserven.  Bisher trage ich ja nur während des Sports Funktionswäsche, dies sollte ich in Zukunft vielleicht mal überdenken. Zumindest wenn etwas fremdländisches auf den Tisch kommt.

Ich suche die Toilette auf, in der Hoffnung, dass ich mir zumindest unter dem Handgebläse die Haare trocknen kann. Aber die haben nur Papiertücher, diese dünnen Dinger, die in einem endlosen Schlauch aus dem Spender kommen. Ich tupfe ein bisschen, und überlege ob ich mir mit dem Papierschlauch einen Turban binden soll. Nicht dass ich mich noch erkälte…

Nachdem ich mich notdürftig trocken gelegt habe, verlassen wir den Imbiss und steuern geradewegs den „Strohhalm“ an, die haben nämlich einen Handtrockner und außerdem Kräusenpils auf der Karte, mein Flüssigkeitsdepot muss  schließlich wieder aufgefüllt werden.

 

Fortsetzung folgt…

* Dank Volker weiß ich jetzt auch dass es sich keineswegs um die „Tour de Friesland“ gehandelt hat, da hätte ich wohl noch etwas weiter nördlich fahren müssen, sondern korrekterweise handelt es sich bei meiner Ausfahrt um die „Tour de Oldenburger Land“,  hört sich dann aber etwas holprig an und der Wortwitz bzgl. der Ähnlichkeit zur „Tour de France“ geht dann natürlich auch in die Binsen. Aus bayerischer Sicht ist das eh alles „Preißn“..

Aber ich möchte ja hier keine Unwahrheiten verbreiten, daher: Das Gebiet um Oldenburg heißt „Oldenburger Land“.

Ich schreib das jetzt 50 mal…  (aber nicht hier)

21 Comments

  1. Henrik sagt:

    Köstlich! Bist nichts mehr Scharfes gewohnt, oder? 😉 Da lobe ich doch die „bekannten“ Münchner Spezialitäten, hier weiß man, was auf den Teller kommt. Und: ein 30er Schnitt ist alles andere als langsam.

    1. -timekiller- sagt:

      Eigentlich liebe ich Scharfes, ich bin Stammkunde bei http://www.chilibillys.de. Aber meine taube Zunge hat mir wohl ein Streich gespielt. Eine Weißwurst mit süßem Senf wäre da besser gewesen.

      Grüße -timekiller-

  2. Volker sagt:

    Tja, ich weiß schon warum Radfahren hier nicht mein Sport ist. Wind ist beim Radfahren einfach nur ätzend!

    Wo war Deine Frau denn Stoff kaufen? In der Stoffhalle an der Nadorster Str.? Da wären zwei Bäcker fußläufig erreichbar. Ich wohne auch nur zwei, drei Autominuten entfernt. Ich hätte Dir sogar ein Butterbrot geschmiert 😉

    Kein Wunder, dass Du bei mir keinen Kaffee trinken wolltest, wenn Oma`s Kuchen lockte 😉

    Nur mal so zur Aufklärung: „Tour de Friesland“ Du warst nicht in Friesland unterwegs, sondern im Oldenburger Land. Sowohl Friesland genauso wie Ostfriesland liegen nördlich und östlich von Oldenburg. Das mußte mal eben klar gestellt werden! 🙂

    1. -timekiller- sagt:

      OK, abgemacht, das nächste mal rufe ich Dich an, und Du versorgst mich. Sozusagen „Butterbrot auf Rädern“ 😉

      OK, bzgl. „Tour de Friesland“ muss ich Dir natürlich recht geben, aber „Tour de Oldenburger Land“ hört sich halt doof an, oder? Ich werde da mal eine Fußnote einbauen.

      Grüße -timekiller-

  3. Supermario72 sagt:

    Ach wie schön – endlich mal wieder eine dieser herzerfrischenden Timekiller-Geschichten! 🙂

    Du armer Kerl! Die halbe Kindheit in Stoffläden verbracht! Aber ist ja trotzdem noch was geworden aus Dir! ;-D

    Ich kenne das allerdings auch noch aus meiner Kinderzeit. Meine Oma hat sich sehr viel nähen lassen und deshalb regelmäßig Stoffe gekauft. Wir hatten ja damals nix im Osten. 😉

    Was Deine Radtour angeht – also bitte! Ich habe Dein „Höllen-Bike“ ja bei Facebook gesehen. Astreines Teil! Und dann nur ein 30er Schnitt! Schäm Dich! 😉

    Ansonsten solltest Du vielleicht beim nächsten „Rollo“ lieber Dein neues Brooks-Cap aufsetzen. Bist halt doch der „Schwitzling“! 😀

    So – und jetzt bin ich auf den Rest der Geschichte gespannt ….

    Grüße aus Köln!
    Mario

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Mario,

      ja, im „Oldenburger Land“ fehlen einfach die Berge wo man es so richtig laufen lassen kann, und Rückenwind gibts da nicht.
      Bzgl. Rollo, lass ich mir jetzt von meiner Frau ein modisches Not-Schweißband nähen, dann kann nix mehr passieren.

      Grüße -timekiller-

  4. Ja, so ist das im Urlaub! By the way echt schöne Bilder!

    Und das mit dem Einkaufs-Kräusen-Pils werde ich beim Einkaufen gehen, ab jetzt auch einfordern! 😉

    1. -timekiller- sagt:

      Ja, so ein Einkaufspils hat was, man muss das nur mit dem Lauftrainig koordinieren, dann Bier und Laufen geht bei mir nicht recht zusammen.

      Grüße -timekiller-

  5. Carsten sagt:

    Wir sollten eine Selbsthilfegruppe gründen:
    „Ich bin mit einem Stoff-Junkie verheiratet – holt mich hier raus“ oder so 😉

    Mein Stoff-Junkie ist inzwischen auf Großhändler umgestiegen – Lagerhallen voller Stoffe…. ein Traum 😉

    1. -timekiller- sagt:

      Ja, Selbsthilfegruppe wäre gut. Ist nur die Frage wer therapiert gehört, wir oder unsere Frauen 😉

      Warst Du schon mal auf dem „Stoffmarkt Holland“? Ein Traum, bzw. ein Albtraum. Zig Stände und nur eine Imbissbude….

      Whaaaa

      Grüße -timekiller-

      1. Carsten sagt:

        ja, hab ich auch schon durch – da fahr ich nicht nochmal mit. Ich durfte die (damals noch sehr kleinen) Kids bespaßen, während die Chefin gefühlte Ewigkeiten zwischen unzähligen Ständen verschwunden war.

        Ja, wir haben es schon nicht leicht 😉

  6. Also ich habe nichts dagegen wenn Rennradfahrer auch die vorhandenen Radwege benutzen aber wenn ein 35Schnitt geplant ist dann geht wohl nichts über die Straße. Und selbst da muss man ganz schön rein treten wenn man das auf 40km schaffen möchte. Da benötigt man schon Dampf in den Schenkel oder eine echte Rennmaschine! Besitzt du die??

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Frank,

      glaube mir, am Material hat es nicht gelegen 🙂

      Meine letzte Tour, die ich auf Zeit gefahren bin, liegt schon ein bisschen zurück, mir fehlt da schlicht die Erfahrung was machbar ist. Auf dem Ergo ist das Tempo ja eher Nebensache. Mit wieviel Watt müsste man denn ein Flachlandkurs simulieren? Weißt Du das?

      Grüße -timekiller-

      1. Puuh, das ist schwer zu sagen! Ich denke auch das jeder Ergometer mit den Wattzahlen,der schwere sie zu treten, etwas unterschiedlich ist. Gehen wir mal von 90Umdrehungen aus würde ich sagen das ich auf meinem Ergo etwa 250-270Watt treten müsste um mit dem Rennrad flach einen 35Schnitt zu fahren. Das ist aber hier in der Wohnung wohl nicht durchführbar da ansonsten alles unter Wasser bzw. Schweiß steht 🙂

        1. -timekiller- sagt:

          Ich sehe schon, weder die Erogmeter, noch Fahrad / Ergometer lassen sich vergleichen. 250 Watt (bei 90 U/min) bekomme ich im Leben nicht hin. Jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum. Ich glaube ich geh doch wieder auf die Staße.

          Grüße -timekiller-

  7. LocalZero sagt:

    Puh, diese materialintensiven Zweitsportarten sind doch immer irgendwie suboptimal.

    Den ständigen Gegenwind könntest Du aber vielleicht dadurch umgehen, indem Du Dein Radfahrprogramm einfach „indoor“, d.h. im Stoffgeschäft Deiner uneingeschränkten Abneigung durchziehst *LACH*…

    Und mit einem erneuten Schweissausbruch hättest Du sicherlich auch in den schmalen Gassen zwischen den Stoffbergen ständig freie Bahn. Tempo 35+x in der Gardinenabteilung, why not? 😉

    Fazit: Wir sollten mal wieder Laufen gehen. Im Olympiapark. Das angrenzende Shoppingcenter meiden wir dann aber besser 🙂

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Lars, ein bisschen Abwechslung finde ich gar nicht schlecht. Aber der Aufwand ist schon ein ganz anderer, das stimmt.

      Ja, lass uns mal wieder im Olympiapark laufen, vielleicht gleich nächste Woche? Dann erzähle Ich dir noch ein paar Geschichten aus dem „Nähkästchen“ 😉

      Grüße -timekiller-

  8. Laufhannes sagt:

    Im Norden zu windig, im Süden zu bergig. Ich kenne das Problem und nutze das Fahrrad gar nicht mehr für sportliche Aktionen.

    Da gehe ich lieber laufen 🙂

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Hannes,

      also Radfahren wird auch nicht zu meiner Lieblingssportart, aber wenn der Laufapparat etwas streikt ist das nicht schlecht um die Kondition nicht komplett zu verliefen.

      Grüße -timekiller-

  9. sarahemily sagt:

    ROFL.

    Ich versuche mir gerade bildlich diese Szene im Imbiss vorzustellen. Hihihi.

    Naja, laut der neusten Runner’s World kann man Schwitzen wohl bis zu einem gewissen Grad „lernen“. Die Rolle war sicher ein Anfang.

    1. -timekiller- sagt:

      Unglaublich was man alles trainieren kann, wie da wohl ein 6 Wochen Trainingsplan aussieht?

      Grüße -timekiller-

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