Anspruch und Wirklichkeit liegen ja häufig weit auseinander. Gerade im Sport stelle ich das immer wieder fest. Ganz besonders wenn man nicht im Training ist.
Da werden gerne alte Bestzeiten zur Zielbestimmung anstehender Wettbewerbe hergenommen. Der desolate Zustand des übrigen Körpers wird dabei völlig außer Acht gelassen. Die Zipperlein werden ausgeblendet, schließlich schmerzt auf der Couch ja auch nix.
So auch wieder am vergangenen Sonntag beim Wings for Life World Run in München geschehen.
Aufgrund von akuter Unlust habe ich dieses Jahr noch nicht viel zuwege gebracht. Gerade mal die Winterlaufserie habe ich absolviert, alle weiteren Frühjahrsläufe in München habe ich jedoch geschwänzt.
Am Wings for Life World Run wollte ich aber unbedingt teilnehmen, stand ich doch letztes Jahr nur rekonvaleszierend am Wegesrand und filmte.
Das Konzept des Laufes, bei dem man von der Ziellinie in Form des „Catcher-Cars“ eingeholt wird, finde ich einfach großartig. Außerdem liebe ich Großveranstaltungen. Beim WFLWR in München sollten 8000 Läufer an den Start gehen, da durfte ich natürlich nicht fehlen.
Bei schönstem Wetter fand ich mich schon früh im Olympiapark ein um noch etwas Festival Atmosphäre zu schnuppern. Ich war mit Bastian, einem Arbeitskollegen verabredet, den ich nach Verkostung von mehreren Feierabend-Bierchen für den WFL-Lauf begeistern konnte. Gemeinsam ging es in den Startblock, wo wir uns die Grundlage für einen deftigen Sonnenbrand holten.
Da das Einsortierung in die Startblöcke durchaus kontrolliert wurde, verzichtete ich Großmütig auf meinen Block B und sortierte mich mit Bastian an der Grenze zu Block C ein, schließlich wollten wir zumindest die ersten Kilometer gemeinsam laufen.
Pünktlich um 13 Uhr fiel weltweit der Startschuß. Nach wenigen Minuten setzte sich dann auch Startblock C in Bewegung. Wie ein zäher Lavastrom ergoß sich die Läuferschaar in den Olympiapark. Einer der wenigen Läufe bei dem ich nicht auf den ersten Kilometern total überpace. Der erste Kilometer geht dann auch mit gut 6:50 min/km als langsamster Wettkampf-Kilometer in meine Läufervita ein, das aber nur, weil der gesamte Tross an mehreren Engstellen komplett zum Stehen kam. Gemeinsam schlängelten wir uns durch die Mitläufer, ein Gefühl fürs Lauftempo wollte sich dabei nicht recht einstellen. Die Streckenplaner hatten die Strecke strategisch in den Olympiapark gezirkelt, sodaß man diesen erst nach 9 km in Richtung Westen verließ. Bastian ging dann auch langsam die Puste aus, was nicht verwunderlich war, schließlich verbesserten wir seine 10km Bestzeit, trotz langsamer Anfangskilometer, auf 57 Minuten. Für einen Laufnovizen ist das gar nicht schlecht. Und das bei den Temperaturen.
Ab Kilometer 10 wollte ich dann etwas anziehen, schließlich hatte ich mir ja viel vorgenommen, 20 Kilometer wollte ich dem Catcher Car davon rennen, da musste ich ja dann auch mal einen Gang zulegen. Aber da kam nix mehr. Akku leer, Beine schwer, Knie Aua, Kehle trocken, alles Mist…
Der Kurs des WFLWR führt gerade mal 300 Meter an der –timekiller-Homebase vorbei. Der Versuchung einfach links abzubiegen konnte ich nur widerstehen, da ich just auf diesem Abschnitt Sandra vor die Füße lief die mit der 15km Abteilung der Urban Runners Munich unterwegs war.
In Gedanken reduzierte ich Stück für Stück meine Ambitionen und legte auch entlang des Rangierbahnhofes, wo die Sonne besonders brannte und die Steigungen steiler waren als sonst, eine Gehpause ein. Bei 15,2 Kilometer, kurz nach der dritten Versorgungsstelle hatte dann das Catcher-Car keine große Mühe mich aus dem Wettbewerb zu nehmen.
Hätte ich geahnt dass in München gut die Hälfte der Läufer aufgrund von Chip-Fehlern nicht gewertet wurden, hätte ich natürlich schon viel früher aussteigen können und dann einfach per Mail mein Wunschergebnis an WFLWR schicken können.