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Dunkle Wolken ziehen über den See, es hat wieder angefangen zu regnen. Der Wind frischt auf und läßt die Wellen  ans Ufer des Chieminger Badestrandes schlagen. Nicht vorstellbar, dass hier in 12 Stunden ein Triathlon starten soll. Es ist Samstagabend 21:30 Uhr, ich komme gerade von der Zeltparty die anlässlich des zweiten Chiemsee Triathlons veranstaltet wird.  Ich bin nicht müde, dazu bin ich viel zu nervös, aber mir ist kalt, daher zieht es mich nochmals ans Ufer des Sees, wo ich mich in zwölf Stunden in die Fluten stürzen soll. Anschließend geht es aufs Zimmer das ich übers Wochenende gemietet habe. Wobei, Zimmer trifft es nicht ganz, es hat eher etwas von einer Zelle. Die Tapete könnte mein Jahrgang sein, schwer zu sagen, welche Farbe sie IMG_3568ursprünglich hatte. Das Design ist zum Glück sehr kleinmustrig, alles andere würde einen in diesem Zimmer erschlagen. Der einzige Farbtupfer ist ein blassrosa Herz-Häckeldeckchen  auf dem Nachttisch, ein verzweifelter Versuch den Raum etwas wohnlicher zu machen.  Kitsch in trostloser Tristesse kann das Ruder aber nicht mehr rumreissen.

Das Bett in dem Zimmer, in dem ich vor zwei Wochen beim BMW Blogger Camp residierte, war größer als hier das gesammte Zimmer, das ist jetzt kein Scherz. So verschieben sich eben die Verhältnisse, wenn man die Rechnung selbst bezahlen darf. Aber ich hatte auch keine Ahnung wie klein so ein Einzelzimmer sein kann.

Zimmer

Naja, zum Schlafen langt es ja. Vor dem Schlafen müssen aber noch die Wechselbeutel gepackt werden. Denn der Veranstalter hat sich dieses Jahr etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Um den Wechsel etwas spannender zu gestalten, dürfen sich am Rad nur Helm, Brille, Startnummer und die bereits eingeklicksten Radschuhe befinden. Alles andere muss in einer separaten Zone an einer monströsen Staffelei in Beuteln an den Haken gehängt werden. Ein Umstand, der zwölf Stunden später, Augenrollen bei so manchem Triathleten verursachen sollte.

Die Nacht habe ich gewohnt unruhig verbracht. Ich träumte von meiner Kindergärtnerin, die mich fortwährend ermahnte, dass der Beutel an den Haken kommt…

Sonntag früh bin ich mal wieder lange vor dem Wecker wach. Nach dem Frühstück, das ganz ordentlich war, geht es zur Wechselzone die Beutel aufhängen. Das Wetter hat sich etwas beruhigt, der Regen hat aufgehört und der Wind hat nachgelassen, aber es ist kalt. Es hat gerade mal 10°C, dagegen wird der Chiemsee mit seinen 16°C eine warme Badewanne sein. Die Wechselzone muss 15 Minuten vor Start der Mitteldistanz geräumt werden, die Olympische Distanz wird eine halbe Stunde später gestartet. So zwänge ich mich bereits 45 Minuten vor meinem Schwimmstart in die Gummipelle, aber so friere ich schon nicht.

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@timekiller089, @triduke und @jensandmie

Vor dem Start treffe ich noch Frank, der als Wettkampfrichter im Einsatz ist, und  Jens und Sascha, die ich gestern bei der Wettkampfbesprechung im Eventzelt verfehlt hatte. Sportler in Freizeitkleidung sehen auch immer ganz anders aus. Jens habe ich schon auf mehreren Veranstaltungen um München herum getroffen, er hatte sich zufällig  auch mit Frau und Hund in der gleichen Pension eingemietet. Zumindest beim Frühstück habe ich ihn dann auf Anhieb erkannt. Sascha kannte ich bisher nur über Twitter, aber er scheint auch ein lustiger Geselle zu sein. Man versteht sich auf Anhieb. Vor dem Start unterhält man sich angeregt und der übliche Galgenhumor wird zu Tage gebracht. Als die ersten Teilnehmer der Mitteldistanz umkehren und zurückschwimmen, werden noch die letzten Hai-Scherze abgefeuert.

Oder ist das Wasser vielleicht doch kälter als angenommen?

Ein guter Zeitpunkt dies selbst zu testen. Gut 15 Minuten vor unserem Start begeben wir uns zum Warmschwimmen ins Wasser, aber kann man bei 16°C Wassertemperatur überhaupt von warmschwimmen sprechen? Gerade im Gesicht und an den Füßen prickelt die Kälte ganz schön.

Aber gekniffen wird nicht, wäre ja noch schöner. Da nerve ich seit Wochen meine Umwelt und dann lasse ich mich von kaltem Wasser abschrecken. Niemals! Sascha ist da schon eher bereit einen Rückzieher zu machen, aber ich kann Ihn doch noch überreden zumindest an den Start zu gehen.

Am Chiemsee wird aus dem Wasser heraus gestartet, so suche ich mir im hinteren Mittelfeld ein freies Plätzchen und warte auf den Böllerschuß.

20x30-CHTX0001Und los geht’s, Uhr abgedrückt und Kopf unter Wasser. Aber ich komme nicht weit. Noch vor der Startlinie schwimme ich auf das erste Menschenknäuel  auf. Wo kommen die denn jetzt plötzlich alle her? Ich hatte doch eben noch so schön Platz um mich herum.  Um mich etwas zu orientieren lege ich ein paar Züge Brust ein, nicht ohne ein paar Tritte nach hinten zu verteilen. Vielleicht sollte ich es doch mit der Wasserball-Kraultechnik versuchen, ist für alle beteiligten besser.  Wie ein Hund paddle ich durch die Menschenmenge.  Nach ein paar Metern versuche ich es wieder mit Kraul.  Schnell wird klar, nicht die Kälte macht mir hier zu schaffen sondern die Wellen und die Strömung.  Bei jedem zweiten Armzug nehme ich einen ordentlichen Schluck Wasser.  Ich verschlucke mich und muss wieder Brust schwimmen um zu Atem zu kommen. Ich ärgere mich über meine Brustpassagen. Wollte ich doch diesen Wettkampf mal komplett Kraul schwimmen. Im Training klappt das auch immer ganz ordentlich, aber Wettkampf mit Massenstart ist halt doch was anderes. Da fehlt mir einfach die Erfahrung und die Routine.

Bei den Wellen kann ich  kaum die Bojen erkennen. Aber solange ich noch einen Fuß vor mir habe, kann ich nicht ganz verkehrt sein. Die ersten 700 Meter bis zu ersten Wendeboje sind echt hart. Meine komplette Wettkampfstrategie fällt gerade auseinander.  Aufgrund meiner Knieprobleme hatte ich mich in den letzten Monaten mehr auf das Schwimmen konzentriert und wollte hier beim CST zumindest eine ordentliche Schwimmzeit abliefern, alles andere war mir nicht so wichtig.  Das verfehlte Ziel von letzem Jahr, die 2:45 zu knacken, war ohnehin illusorisch.   Aber nun werden die Karten  neu gemischt. Scheiß auf die Zeit, scheiß auf den Stil, sauf einfach nicht ab. Das ist purer Überlebenskampf.

Auf der zweiten Hälfte zurück zum Anleger geht’s dann etwas besser.  Aber ich habe keine Ahnung wo ich mich im Feld befinde.  Um mich herum ist auch keiner mehr, ich glaube ich treibe ab. Alle schwimmen weit links von mir. Bin ich überhaupt noch richtig?  Kennen die eine Abkürzung? Die Bojen sind jedenfalls noch rechts von mir, dann kann ich nicht ganz verkehrt sein.

Endlich stellt sich sowas wie ein Rhythmus ein.  Vor dem Schwimmausstieg wird’s dann nochmals eng. Die letzten 100 Meter gebe ich dann auch mit den Füßen wieder etwas mehr Gas, damit ich beim Schwimmausstieg, mit meinen Spaghettibeinen, nicht sofort auf die Matte gehe.

20x30-CHTF0359Nach 30 Minuten Schwimmen geht es über einen glitschigen Teppich Richtung Wechslezone. Auf den gut 100 Metern, die ich im Laufschritt bewältige ziehe ich schon mal die obere Hälfte des Neos aus. Diesmal komme ich auch gut aus den Ärmeln raus. Der Tipp, die Unterarme vor dem Anziehen ordentlich mit Penaten Baby-Öl einzuschmieren war Gold wert.

Der Kleiderbeutel-Ständer ächzt schon bedenklich ob der vielen Beutel, die hier auf Ihre Sportler warten, da fällt es schwer auf Anhieb den Richtigen Beutel zu finden. Mein Haken befindet sich in der unteren Reihe. Die dazugehörige Nummer kann ich aber nicht sehen, da sie von den oben herabhängenden Beuteln verdeckt wird. Nach etwas rumnesteln ist dann  auch  der richtige Beutel gefunden, schnell Neopren, Schwimmbrille, Badekape  reingestopft und die Radjacke übergezogen, denn es ist noch etwas frisch und der –timekiller- friert nicht gerne.  Wie ich den Beutel wieder an den Haken hängen will fällt mir auf, dass ich ja gar nichts sehe, zumindest  sehe ich nicht scharf.

-Ich Depp habe meine Sehbrille vergessen-.

Beutel wieder vom Hacken, Neo raus, Brillen Etui suchen, Neo wieder reinstopfen…

-Argh, das kostet Zeit-.

Zumindest hat sich mein Puls bei dieser Bummelei etwas beruhigt, so kann ich entspannt das Rad aufnehmen und ab geht’s auf die Radstrecke.

Der Aufstieg auf die eingeklicksten Radschuhe  klappt perfekt,  jetzt in Aero-Position und Tempo aufnehmen. Das mit dem Tempo will aber nicht so richtig klappen. Ich muss ordentlich strampeln, komme aber nicht recht vom Fleck, schon die leichteste Steigung  bereitet mir Probleme. Das ging schon besser. Da macht sich das mangelnde Radtraining bemerkbar. Letztes Jahr hatte ich etliche Radkilometer mehr in den Beinen. Das rächt sich jetzt. Das Wetter hatte mir das ein oder andere Mal ein Strich durch die Rechnung gemacht, sodaß ich anstatt einer Radausfahrt durch das Münchner Umland, häufig bei einer Tour auf  dem Ergo durch das Vorabendeprogramm gelandet bin. Das ist halt doch was anderes.  Letztes Jahr konnte ich die komplette Strecke beim CST auf dem großen Blatt fahren. Heuer bin ich wie wild am Schalten und scheue mich auch nicht das kleine Blatt aufzulegen. Irgendwie muss ich ja wieder ins Ziel kommen.   Bei einer der ersten Steigungen zieht ein Junger Kerl an mir vorbei und lobt mein Radl.  „Ja mei, is des a scheees Radl“

–ja, aber am Berg macht halt der Motor schlapp-

entgegne ich und stelle fest, dass der Überholer exakt das gleiche Rad wie ich fährt.

-Es liegt also doch am Motor!-

Dort wo es runter geht, kann ich den „Teamkollegen“ aber wieder einholen.

-Masse läuft eben-

20x30-CHTI0573So liefern wir uns die nächsten 40 Kilometer ein ständiges Katz und Maus Spiel, nicht ohne beim jeweiligen Überholvorgang  gegenseitig das Rad zu lobpreisen, bzw. den Fahrer zu erniedrigen.  In der Teamwertung hatte dann schlussendlich der Jungspund die Nase vorn, kurz vor dem Ziel ist er nochmals an mir vorbei gezogen und stachelte mich noch  zu einem finalen Zielspurt an, ich war jedoch bereits im Begriff mich fürs Absteigen bereit zu machen.  Beim MRRC Sprint Triathlon im Mai habe ich ja beim Absteigen den Käfer gegeben, weil ich nicht schnell genug aus den Schuhen gekommen bin. Das  sollte mir nicht nochmal passieren.

Das Absteigen an der Linie hat dann auch wunderbar geklappt,  mit noch angeklicksten Schuhen schiebe ich das Rad in die Wechselzone und hänge es an die Stange, dann geht es weiter zum Kleiderbeutelständer. Hier herrscht bereits ein munteres Chaos. Durch die vielen Neoprenanzüge  hat der Kleiderständer gehörig an Volumen zugenommen. Viele Beutel sind runtergefallen, da die dafür vorgesehenen Schrauben etwas zu kurz geraten sind.  Mein Beutel ist zum Glück noch dort wo er hingehört, am Haken.

Schnell die Laufschuhe rausgefischt, und die Radjacke ausgezogen, und schon geht es ab auf die Laufstrecke. Im Eifer des Gefechtes habe ich aber vergessen meine Kappe aufzusetzen.

-Irgendwas ist halt immer-.

Da werde ich mir jetzt schön die Fontanelle verbrennen, denn mittlerweile ist die Sonne raus gekommen und von der frische des Morgens ist nichts mehr übrig geblieben. Aber  zum Glück ist es nicht so heiß wie im letzten Jahr.

Der Umstieg vom Rad zum Laufen ist immer der Hammer. Eben ist man noch mit über 60km/h den Berg runter gebraust und jetzt hat man das Gefühl man steht, wobei das Herz wie verrückt hämmert.

Der Garmin quittiert dann aber den ersten Kilometer mit einer 4:43 Pace. Von stehen kann daher keine Rede sein, zumindest nicht bei mir.  Auweia, das ist ein bisserl schnell für mich. Auf dem zweiten Kilometer bremst mich eine fiese Rampe, die es hier zu bezwingen gilt, aber mit einer 5er Pace bin ich immer noch viel zu schnell, wenn ich den Lauf ohne Gehpausen absolvieren möchte.

Wobei, wenn ich dieses Jahr das Ziel von 2:45 doch noch knacken will, muss ich jetzt gehörig Gas geben.  Da das Schwimmen nicht optimal war, ich den ersten Wechsel verbummel habe und auch auf dem Rad keine Zeit gut machen konnte, heißt es jetzt angreifen. Mal sehen was der alte Diesel noch hergibt.

Der dritte Kilometer ist dann wieder deutlich unter 5 Minuten. Ich blicke auf die Uhr, und  beginne zu rechnen. Wenn ich die 5er Pace weiter halten kann, könnte es  noch mit einer Sub 2:45 klappen.  Aber das wird eine harte Nummer. Ich kämpfe Kilometer um Kilometer.  Bis Kilometer 7 laufe ich jeweils eine 4:50. Die Rampe bei Km 7 zieht mir dann aber den Zahn.  Kann es sein, dass die Rampe steiler geworden ist? Ich bekomme prompt die Quittung,  5:10 und 5:11 für Kilometer sieben und acht.

-Der Tank ist leer-

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Ein hoffnungsloser Fall, kein Blick fürs andere Geschlecht…

Im Leben werde ich keine Mitteldistanz bestreiten, schießt es mir durch den Kopf, ich bin doch nicht verrückt. Weshalb kann ich eigentlich keine normale Midlifekrise haben wie alle anderen  Alterskollegen auch? Man könnte sich schön, ein unvernünftiges, aber überteuertes Auto kaufen, vielleicht sexuell etwas aushäusig werden und  alles wäre gut. Aber nein, mich hat die Krise voll am Sport-Haken, ich hechle hier wie ein bekloppter fast 3 Stunden durch das Chiemgau nur um ein paar Sekunden schneller als im letzten Jahr zu sein. Das juckt doch keine Sau, ob ich jetzt 2:45 oder 3:00 für meinen Triathlon brauche. Außer dem Veranstalter juckt es ohnehin niemanden, ob ich einen Triathlon laufe oder nicht.  Männer können so blöde sein.  Völlig im Tunnel renne ich sogar am Verpflegungstand vorbei ohne noch einen Schluck zu trinken, den ich jetzt aber dringend nötig hätte. Ich will dass es vorbei ist. Ich quäle mich über die letzen Kilometer und finishe unter Mobilisierung der letzten Kräfte dann doch noch mit einer Zeit von 2:44:22 meinen  zweiten Chiemsee  Triathlon.

-Tschaka !!!-

Hinter der Ziellinie gehe ich erstmal zu Boden. Hier erwartet mich Jens, der schon lange im Ziel ist  und jetzt unvorteilhafte Fotos  von mir macht.

Jens ist echt der Hammer, er hat in unserer Altersklasse den ersten Platz gemacht und im Gesamtranking ist er auf einen siebten Platz gekommen. Mein lieber Scholli, ich möchte ja nicht wissen welche Midlifekrise Jens momentan durchmacht 😉

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Und hier für die Zahlenfreaks den Triathlon im Telegram

Schwimmen (1,5km): 30:14 (22,00 min/km)

T1: 4:28

Bike (41,5km): 1:17:07 (32,0km/h)

T2: 2:15

Run (10,4km): 0:50:29 (4:50 min/km)

Die offizielle Zeit betrug übrigens  2:43:07  (Platz 68/219;  AK8/26) aber da scheint der Zeitmessung ein Fehler unterlaufen zu sein. Die Schwimmzeit ist zu kurz bemessen, bei mir offizielle 28:31. Ich denke da wurde die offizielle Uhr zu spät gestartet, oder gibt es in Chieming auch eine Zeitkrümmung?