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„Hallo  -Herr Kiler*-  hören Sie mich?“

„Hallo?“

Eine Stimme von ganz weit weg versucht zu mir durchzudringen.

-Ich höre, aber ich fühle mich nicht angesprochen.  Wo bin ich eigentlich?-

Wo immer ich auch bin, es ist warm und es fühlt sich komisch an, irgendwie so „wattig“, alles um mich herum ist in ein grelles  weiß getaucht. Ich bin in einem weißen, heißen, Watte Kosmos.  Wallis_Stellihorn_mg-k

Träume ich?

Man piekt mich, jemand öffnet mir ein Auge…,

ein Lichtblitz schießt mir durch den Kopf und versengt mir die Netzhaut. Jetzt hüpfen rote Tupfen über die weiße Umgebung.

Die Betriebsamkeit um mich herum nimmt zu, Befehle werden gerufen.

Was geht da vor sich, wurde ich von Aliens entführt, die jetzt Ihre Experimente mit mir machen?

So, muss es sein,  oder doch ein Traum?  Einfach mal wieder wegdämmern, dann verschwindet der seltsame Traum sicher wieder.

Aber ich darf nicht dösen.  Eine freundliche Stimme will sich unbedingt mit mir unterhalten.

„Herr Kiler, wie ist Ihr Vorname? Wie alt sind Sie? Welcher Tag ist heute? Wissen Sie wo Sie sind?“

Die Aliens sprechen unsere Sprache… -Ich bin erstaunt-.

Die versuchen sicherlich mit einfachen Fragen  Vertrauen aufzubauen, um mich dann ganz nebenbei über die Existenz des Flux Kompensators auszufragen. Genau so wird das laufen, aber ich bin ein schlechter Quiz Kandidat.  Auf die Fragen kann ich keine eindeutigen Antworteb geben.  Das ist ein bisschen beängstigend.  Nach etwas Recherche habe ich  zumindest meinen Vorname parat,  bei  den anderen Fragen muss ich passen.

-Tim- versuche ich zu sagen, aber es kommt nur ein unverständliches  Gestammel über meine Lippen. Dort wo sonst meine Zunge war, ist jetzt ein ledriger Lappen. Damit sprechen.. –Fehlanzeige-

Irgendetwas ist hier definitiv nicht in Ordnung.

Die Hektik um mich herum nimmt weiter zu.  Ich werde hin und her gewälzt, angehoben und dann in einen großen Container geschoben.

Meine Füße fühlen sich an, als ob sie in Schraubstöcken eingespannt wären. Habe ich etwa Skistiefel an? Hatte ich einen Skiunfall und werde gar nicht von Außerirdischen entführt?

Aber im Sommer? Skifahren? Was mache ich denn sonst noch so?

Schwimmen,  Radeln, Laufen… genau Triathlon.

Stand da nicht eine Veranstaltung auf dem Plan? Der Karlsfeld Triathlon?  Die Olympische Distanz?

Langsam dämmert es mir…

Ich bin doch heute früh in Karlsfeld an den Start gegangen….

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Stimmt, und ich war auch  gar nicht schlecht. Das Schwimmen war super, beim Wasserstart der letzten Startwelle konnte ich mich günstig positionieren und bin ohne Hauen und Stechen  vom Start gut weg gekommen. Diesmal gab es auch keine Brustpassagen, weite Strecken der Distanz konnte ich im Schwimmschatten eines anderen Teilnehmers schwimmen, so kam es, dass ich bereits nach 28 Minuten und 30 Sekunden aus dem Wasser stieg.  Für mich ein absoluter Rekord auf die Distanz, und das ohne Neo.

Meine erste Wechselzeit war zwar  wieder unterirdisch, dafür lief das Radeln wie geschmiert. Die Strecke in Karlsfeld ist eine echte Rennstrecke, auf 20 Kilometer gesperrter Bundesstraße kann man es so richtig laufen lassen.  Die Sprinter fahren das einfach, die Kurzdistanzler doppelt.

Aufgrund des Ostwindes wurde man in eine Richtung schön geschoben. Auf dem kleinsten Ritzel waren so, selbst für Amateure wie mich, 45km/h und mehr möglich. In die andere Richtung, gegen den Wind, sah das Ergebnis dann nicht ganz so gut aus. Aber dennoch habe ich die 47 km in 1:17h gemeistert. Das ist ein 36er Schnitt, für mich Radmuffel ist das durchaus beachtlich. So macht das Spaß, der Wettkampf läuft…

So wie es aussieht kann ich auch in Karlsfeld trotz längerer Radstecke die 2:45h Marke knacken. Quatsch, ich bin sogar auf einem 2:40 Kurs,  kommt ganz aufs Laufen an, aber 50 Minuten für die 10km sollten ja wohl noch doch drin sein.

The_sun1Die ersten Kilometer beim Laufen gehen auch ganz gut, Pace deutlich unter 5 Minuten. Aber die Laufstrecke hat es in sich. Pralle Sonne, kaum Schatten.  Alle 2,5km gibt es einen Verpflegungsstand, ich nehme nur die Schwämme und drücke sie mir über Kopf und Brust aus. Getrunken habe ich nix. Auf dem Rad habe ich ja vorgetrunken, aus meiner neuen Errungenschaft, der Aero Trinkflasche für den Aerobar, das muss reichen. Beim Laufen kann ich ohnehin nicht trinken, das führt unweigerlich zu Seitenstechen, und meinen Trinkhalm so wie ich Ihn beim Marathon benutze habe ich nicht dabei.

Die Sonne brennt unbarmherzig, es hat weit über 30°C,  die Kilometer ziehen sich hin wie Kaugummi , kurz vor Kilometer 9 merke ich wie meine Waden anfangen zu krampfen.

Ah, nein, nicht jetzt, noch ein Kilometer. Ich versuche das Tempo rauszunehmen, verdammt, torkle ich etw–   <shutdown -h now >-.-.-.-.-.-. -.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-das System wurde heruntergefahren -.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-

„Hallo Herr „Kiler“, können Sie mich hören?“

BlaulichtWenn ich die Ereignisse jetzt richtig interpretiere, befinde ich mich nicht in einem Raumschiff, sondern in einem Rettungswagen auf dem Weg in die Klinik.

–WELTKLASSE-

Das erste, was mir durch den Kopf schießt, nachdem sich der Wattenebel etwas gelöst hat…

-HAST DU GEFINISHT?-

Habe ich es noch ins Ziel geschafft, und bin  wie Michael Raelert beim Frankfurt Ironman  hinter der Ziellinie zusammen gebrochen?

Ich habe keine Ahnung! Ab km 8 habe ich keine Erinnerung mehr. Laut Garmin sind mir bei Kilometer 9 um kurz nach 12 Uhr die Lichter ausgegangen. Kein Schimmer wie lange ich weg war. Wie ich im RTW wieder langsam zu mir komme ist es kurz vor 13 Uhr.

So ein Bootvorgang nach einer Systemabschaltung ist schon etwas gruselig. Nur langsam kommt das System wieder in Gang. Ich hätte nicht sagen können, ob ich  Arme oder Beine habe, OK, Beine schon, die steckten ja in den „Stiefeln“ fest. Erst als ich nach mehreren Versuchen dem Sanitäter verständlich machen konnte mir die Schuhe auszuziehen, fuhr der Rest des Systems langsam wieder hoch. Die Entdeckung der rechten Hand war ein echtes Freudenfest. Erst mal alles abtasten, ob noch alles da ist wo es hingehört, aber es sollte noch eine gute Weile dauern bis ich komplett wieder hergestellt war.

So zermartere  ich mir in der Notaufnahme gut 10 Minuten das ausgedörrte Hirn auf der Suche nach unserer Festnetznummer. Irgendwie muss ich ja zuhause Bescheid geben, dass ich heute Nachmittag wohl nicht um 16:00 Uhr am vereinbarten Treffpunkt sein werde, um gemeinsam mit der Familie eine Vorstellung von STOMP (eine Percusion Show) zu besuchen.

Nach etlichen Fehlversuchen, schließlich unter Zuhilfenahme der Münchner Vorwahl,  hatte ich endlich Erfolg und konnte Zuhause Bescheid geben, daß Papa ganz glorreich vom Triathlon direkt ins Krankenhaus gefahren wurde.

Da war Frohsinn angesagt,  im Hause –timekiller-!!!

Ich war zwar noch etwas geschwächt, ich konnte mich jedoch in der anschließenden Diskussion durchsetzen, die Vorstellung bitte ohne mich zu besuchen, schließlich waren die Karten ein Geschenk von mir und ich hab jetzt echt kein Bock, mir nochmals ein neues Geschenk auszudenken.

In der Notaufnahme ging es turbulent zu, Verständnis für Triathleten durfte ich hier nicht erwarten, eine Pflegerin quittierte meine Einlieferung mit den Worten:

„Jetzt regt er mich aber langsam auf, der Triathlon, erst sind alle Straßen  gesperrt, und dann kippen die auch noch um.“

Meine Hoffnung das Krankenhaus noch am selben Tag verlassen zu dürfen zerplatzte dennoch recht schnell.

„Wie? Ihnen geht es wieder gut? Schauen Sie doch mal wie Sie beinander sind. Der Notarzt hat Ihnen ja nicht zum Spaß Atropin gegeben. Sie kommen jetzt mal schön auf die Wachstation zur Beobachtung“

-OK-

So liege ich, bekleidet mit einem Flügelhemdchen, verkabelt wie ein Rechenzentrum, im Bett der Wachstation und denke über mein Leben nach. Da fällt mir das Zitat von Josef Bruokal ein:

„Man kann die eigenen Grenzen nur feststellen, indem man sie gelegentlich überschreitet“

-Wenigstens das ist mir heute ganz grandios gelungen-