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Timewarp

seit vielen Jahren besteht der Brauch im Frühjahr und im Herbst die Uhren umzustellen. Was das genau bringen soll weiß keiner mehr so genau. Angeblich verfolgte man ursprünglich den Plan dadurch Energie einzusparen, da das Tageslicht so besser ausgenutzt werden könne.
Mittlerweile bezweifeln selbst Experten die Auswirkung dieses Tuns. Trotzdem hält man an dieser Gewohnheit fest. Steckt da vielleicht doch etwas anderes dahinter? Etwas, das wir mit unserem begrenzten Horizont gar nicht fassen können?

Die Zeit ist eine der komplizierteren physikalischen Größenarten.  Im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen hat die Zeit eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. Und dennoch widersetzen wir uns jedes Jahr diesem Naturgesetzt aufs neue. Durch die halbjährliche Zeitverschiebung entstehen Kräfte die mit herkömmlichen Messgeräten noch nicht zu erfassen sind.

Empfindliche Menschen leiden unter Schlaflosigkeit, sind niedergeschlagen, neigen zur Depression und Ihr Tagesrhythmus ist für Tage, gar für Wochen im Arsch Eimer.

Auch ich gehöre zu der Sorte Mensch, die empfindlich reagiert wenn die Zeit widernatürlich beschleunigt bzw. verzögert wird.  Die Herbstumstellung, bei der man faktisch eine Stunde Schlaf geschenkt bekommt, bereitet mir seit jeher das größte Problem.
Durch die „geschenkte“ Stunde, wache ich zu früh auf, kann aber morgenmuffelig wie ich bin, mit der Zeit nix anfangen.  Dafür wird es Abends  früher dunkel, und ich werde früher müde,  so komme ich zu nix, bin nur müde und keiner erledigt die Arbeit. -ein Teufelskreis-

Ich wäre nicht der -timekiller- würde ich nicht mit dem Phänomen Zeitumstellung experimentieren. Schon in frühster Jugend versuchte ich im Selbstversuch mich der Zeitumstellung entgegen zu stemmen.

Durch rigoroses „Durchmachen“ versuchte ich dem Fluch der Zeitumstellung zu entgehen.

Jetzt ist das „Durchmachen“ von Nächten meist mit einem erheblichen Alkohlabusus verbunden, wodurch das Empfinden für Raum und Zeit aber komplett aus den Fugen gerät und ausnahmslos mit Kopfschmerzen endet.

Vor 3 Jahren formierte sich mit Chief-Balla, Running Twin Henrik und mir die BZM-Gruppe  mit einer Besseren-Zeitumstellungs-Methode, die dem Malheur (vgl. schlechte Zeit) sportlich zu leibe rückt. Die BZM-Groundcrew tritt vehement dem Zeitchaos entgegen und weiß die Nacht der Zeitunbeständigkeit mit einem Zeittunnelmarathon bzw. BestZeitMarathon für sich zu nutzen.

Chrononauten

Die BZM-Theorie besagt, das nächtliche Zeitgeschenk in den Wind zu schlagen und statt dessen mit erheblichen Schlafentzug von mindestens 24 – 26 Stunden zu kontern. Der Körper hat so die Möglichkeit, die durch die Zeitkomprimierung freigewordene Energie aufzusaugen und zu speichern.

Die geschenkte Zeit die von „Schläfern“ nicht genutzt werden kann, entkoppelt sich von der trägen Masse und schwebt frei durch den Raum bzw. durch die Nacht, wo sie von laufenden Nachtschwärmern aufgesammelt werden kann und so zu höherer Glückseligkeit führt. Um möglichst viel „freie Zeit“ aufzusammeln gilt es, die entkoppelte Raumzeit zu bündeln und in einen Art Strudel zu kanalisieren.

Dazu organisiert die BZM-Grondcrew  um Mitternacht einen Marathon, was nichts weiter ist als eine Art Zeit-Zentrifuge, in der unerschrockene Chrononauten  den Nachtraum auf einem  Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn laufend durchqueren und so aus der Umgebung weitere „freie Zeit“ ansaugen können zur Maximierung des eigenen Läuferglücks.

Als kleiner, aber nicht ganz unerheblicher Nebeneffekt  kann in dieser Nacht der Marathon eine Stunde schneller gelaufen werden als sonst. Das ist die Chance für ambitionierte Freizeitläufer auch mal in die Nähe des Marathon-Weltrekords zu kommen.
Nach solch einer  durchwachten und durchzirkelten  Nacht ist der Körper dann bereit, sich jedem Rhythmus neu unter zu ordnen, ohne wenn und aber.

Die Zahl der Chrononauten  steigt rasch. Waren es beim Ur-BZM vor 3 Jahren noch 7 wagemutige Läufer, zirkelten dieses Jahr 96 Timebandits durch die Nacht. Dabei rekrutieren sich die Chrononauten nicht nur aus lokalen Timejumpern, sondern zieht Chrononatuen auch ganz Deutschland, gar aus ganz Europa an. Neben Luxemburg, Schweiz, Österreich waren dieses Jahr auch Läufer aus Frankreich mit am Start. Deichläufer Volker kam extra quer durch die Republik angereist um an unserem Zeitexperiment teilzunehmen.

Mit dem Weltrekord hat es dieses Jahr zwar nicht geklappt, aber die Sache mit der Glückseligkeit scheint zu funktionieren. Nachts um 4:00 Uhr habe ich in durchweg glückliche Gesichter geblickt. Glück überfällt einen ja nicht so einfach im Alltag. Für echte Glücksgefühle muss man etwas besonderes machen, etwas wagen, seine persönliche Komfortzone verlassen. Und kann man seine Komfortzone besser verlassen als nachts bei herbstlicher Witterung im hügeligen Münchner Ostpark?

HappyRunners1

Ich glaube kaum…

IMG_3679Ich weiß nicht was verrückter ist,  einen Lauf zur Zeitumstellung zu organisieren, oder daran teil zu nehmen?  Wer macht bei sowas mit?  Freiwillig, nachts wie ein Hamster, 20 Runden in einem 2,11km großen Hamsterrad im Kreis zu laufen.  Ich war skeptisch, ob sich außer dem Orga-Team sonst jemand für diese etwas bekloppte Idee begeistern würde. Läufer sind doch, durch und durch vernünftige Menschen, achten auf Ihre Ernährung, trinken keinen Alkohol und gehen früh ins Bett. Wer soll da also bitte mitmachen?

BZM-Banner_v1Am 5.5.2013 eröffneten wir großspurig die Anmeldung und machten über Twitter und Facebook ein bisschen TamTam. Die Wirkung war überwältigend, schon ein Monat später am 3.6. zeigte unsere Sozial-Media Kampagne Wirkung, eine junge Spanierin aus München verirrte sich auf unsere Seite und meldete sich  für den Halbmarathon an.  Als dann am nächsten Tag  sogar die freiwillige Teilnehmergebühr von 15€ einging, war ich bass erstaunt. Da will ernsthaft eine junge Frau am 27. Oktober mit uns durch den Park rennen. –die ist ja total verrückt-

Bis Ende Juni gesellten sich weitere drei  wagemutige Läufer dazu. Zusammen mit dem Orgateam hatten wir damit die Teilnehmerzahlen vom Vorjahr erreicht. Damit stand fest, das Experiment Zeitsprung 2013 muss nicht  mangels Beteiligung abgesagt werden.

Bis Ende August verdoppelten sich dann die Anwärter auf den Zeitsprung.  Jetzt stand fest, das wird eine Gaudi…

Im September gingen dann die Anmeldungen nach unserem Empfinden durch die Decke. 30 Anmeldungen in einem Monat! Alleine während des Berlin Marathons flatterten 6 Anmeldungen herein.  Sogar bis nach Österreich hatte sich unsere kleine Veranstaltung herumgesprochen.

Der Oktober wurde dann richtig unheimlich, Anmeldungen aus Lichtenstein und der Schweiz krönten die Zahlen. Das durch die Resonanz leicht verunsicherte Orga-Team (bestehend aus Henrik, Chief und mir) beschloss  Mitte Oktober bei 60 Teilnehmern die Anmeldung vorsorglich zu schließen, nicht dass sich das zu einer großen Facebook Party entwickelt. Außerdem hatten wir ja nur rund 60 Chips für die Zeitmessung gesammelt (Zitat des Zeitnahme-Chiefs: „das reicht ja loooooocker“). Mit jeder Anmeldung  schwand natürlich auch für uns die Chance selbst am Lauf teilzunehmen, bzw. diesen bis zum bitteren Ende durchzulaufen.  Es ist eben wie bei einer Party, da sollte der Gastgeber nicht unbedingt als erstes unterm Tisch liegen, bzw. japsend in der Ecke hocken.

BZM_2013_10Und es war wirklich eine Party,  53 bestgelaunte Läuferinnen und Läufer fanden sich am 26/27. Oktober im Ostpark ein um an unserem Zeitsprungs-Experiment teilzunehmen.

Was zeichnet nun den typischen Zeitsprungläufer, in Fachkreisen auch Chrononaut genannt, aus?

Der Chrononaut ist vor allem eins, er ist spontan.  Die Anmeldezahlen von September und Oktober belegen dies ganz deutlich. Einige haben sich sogar noch am Samstag auf freigewordene Startplätze beworben. Den Vogel schossen drei Girlies ab, die um 23:15 auf Ihrem  Nachhauseweg an unserem Pavillon-Dorf im Ostpark vorbeikamen.

„Hey was macht Ihr denn hier?“

-wir veranstalten einen Lauf zur Zeitumstellung, Start ist um 0:00 Uhr.-

„Cool, kann man da noch mitmachen?“

-klar, aber wir haben nur noch 2 Startnummern-

„Okay , Tschüss bis gleich.“

Um 23:57 holten  die jungen Damen dann in Sportmontur mit lärmendem Ghettoblaster im Gepäck ihre Startnummern ab.

Ansonsten ist der BZM-Nightrunner sehr mobil und läuft gerne in anderen Gefilden. Viele haben eine lange Anreise von mehreren Hundert Kilometern, teils aus dem Ausland, auf sich genommen nur um mit gleichgesinnten im Kreis zu laufen. Das ist wahre Leidenschaft, der Chrononaut  hat Spaß an seinem Sport und praktiziert diesen nicht nur vor der eigenen Haustüre. Die „Running Divas“ aus Lichtenstein gehen beispielsweise am 17. November beim Istanbul Marathon an den Start. -Im Gegensatz zu Istanbul ist München  ja schon fast um die Ecke-.

Der Timejumper ist sehr Naturverbunden, oder aber ein  großer Spaßvogel. Spitznamen und Teamnamen wie „die Nacktschnecken“, „Uhu“, „Nachteule“,  „Bleiente“, „Burnt Shrimp“ „Eat the damn cookie!“, „Kraxi“, „Marathon Maniacs“, „Running Diva“, „CaBa´s CaBaNauTeN“, läßt erahnen, dass der typische Chrononaut   nicht zum Lachen in den Keller geht.

Das erklärt auch, dass ein Teil der Läufer  dazu neigt in Verkleidung zu laufen oder den Drang hat die Kleidung komplett abzulegen.

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Altersmäßig ist alles vertreten, vom 18 jährigen Junior bis zu Altersklasse M/W50 ist alles dabei.  Die meisten Timejumper rekrutieren sich aber aus der Altersgruppe M/W 40, eine Altersgruppe die auch bei anderen unsinnigen Läufen, vornehmlich „Matsch-Balla-Balla Läufen“ wie  Strongmanrun  o.ä.  zahlenmäßig schon auffällig wurden.

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Bei diesen Teilnehmern wundert man sich dann auch nicht, wenn am persönlichen Verpflegungsstand mit Augustiner und Stiegel Bier gedopt wird.

Hier erkennt man klar den Profi. Der erfahrene Marathonläufer experimentiert niemals während einem Marathon mit der Ernährung, da wird nur konsumiert, was man aus dem Training kennt. So wird dann eben auch österreichisches Bier nach München, in die Stadt des Bieres, importiert.

Apropos importieren, der Nightrunner zeigt sich sehr spendabel. Fast alle Teilnehmer haben den freiwilligen Unkostenbeitrag geleistet, sehr viele haben sogar mehr, gar das doppelte bezahlt, sodaß nach allen Kosten noch ein schöner Betrag von 300€ übrig bleibt den wir an den Horizont e.V. spenden können. Vielen Dank an dieser Stelle.

Wie könnte man  also den typischen Chrononaut  charakterisieren?

Als einen humorvollen, spendablen, mobilen 40-jährigen extrovertierten  Marathonroutinier, mit Alkoholproblemen?

-Hm?-

Ich würde sagen, Chrononauten sind Läuferinnen und Läufer wie Du und Ich. halt ein bisschen verrückt ;-).

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