Ja, ich habe es getan. Ich habe meinen 35er Lauf absolviert. Und, Ja, es hat weh getan.
Da meine Frau fürs Wochenende mit einem romantischen Wochenende in den Bergen gedroht hatte, musste ich mir natürlich was einfallen lassen, sonst wäre das nix mehr geworden mit meinen langen Läufen.
So fügte es sich ganz günstig, dass am Donnerstag meine Arbeit geschlossen auf die Wies’n ging. Da ich dieses Jahr all meine Wiesn Besäufnisse abgesagt habe, kniff ich auch hier. Das bedeutete aber, ich hatte einen freien Nachmittag.
Also habe ich meine Laufsachen schon mit in die Arbeit genommen und bin dann mit der S-Bahn direkt nach Feldafing am Starnberger See gefahren, von dort aus sollte es dann wieder nachhause gehen. Die Strecke von Starnberg nach München, war ich ja jetzt schon zweimal gelaufen, das sind ca. 30 km. Da es diesmal etwas länger sein sollte bin ich einfach mit der S-Bahn zwei Stationen weiter gefahren. Auf dem Radweg wollte ich dann zunächst zurück nach Starnberg und dann von dort auf gewohnten Pfad zurück zur Homebase.
Jetzt gibt es aber keinen Radweg vom Feldafing nach Starnberg, jedenfalls keinen, der den Namen verdient hätte. So musste ich an der Straße entlang, zunächst nach Possenhofen und dann über Niederpöcking weiter nach Starnberg. Entsprechend schnell bin ich die „Straßenabschnitte“ gelaufen, naja, noch bin ich ja frisch. In Starnberg standen bereits 8 km auf dem Tacho,
– hm, vielleicht doch ein bisschen weit raus gefahren-.
Ich folgte der Beschilderung des Radweges nach Gauting. Aber da muss es wohl mehrere Wegvariationen nach Gauting geben, schließlich landete ich nicht auf dem bekannten Weg entlang der Würm sondern irgendwo anders. „Ist ja egal“ dachte ich, Hauptsache ich komme nach Gauting, und etwas Abwechslung ist ja auch nicht schlecht. So führte mich der Weg beispielsweise auch über den Golfplatz „Gut Rieden“.
Rechts und links akkurat gemähtes grün. Den Impuls barfuß über das Green zu laufen unterdrückte ich schnell wieder , irgendwie war mir etwas unwohl dort durch die Anlage zu laufen, und die Bälle sausen durch die Luft…
-Wenn ich ein Golfball ans Hirn bekomme, dann haue ich euch aber die Karos aus Euren albernen Hosen-.
Also legte ich einen Zahn zu, und schaute, dass ich wieder in den schützenden Wald komme.
Der Weg führte mich völlig alleine durchs Gehölz, bis ich wieder an einer Straße stand. Von hier ging es wieder an der Straße entlang, na super. Die nächste Ortschaft in die ich komme ist „Königswiesen“. Netter Name, aber wo ist Gauting? Zumindest zählt Königswiesen zur Gemeinde Gauting, also kann ich nicht ganz verkehrt sein. Ich folge wieder einem Radweg, der mich direkt in einen dichten Tannenwald führt. Plötzlich ist der Weg zwecks Baumfällarbeiten gesperrt. Also schlage ich mich ins Unterholz und versuche irgendwie die Richtung zu halten. Über einen schmalen Pfad gelange ich in eine Ortschaft, vermutlich Gauting. Eine ältere Fußgängerin frage ich, wo ich gelandet bin. Ohne zu antworten fragt sie, von wo ich den herkomme. Ist die Antwort abhängig von meinem Ausgangsort? Ich sage wahrheitsgemäß „Feldafing“ woraufhin ich nur ein Kopfschütteln ernte. „Ja mei, wo wollns denn hi“? Nach Pasing antworte ich schüchtern. „Ja mei, do sinds ja total falsch, mir san ja hier in Gauting“
OK, die Antwort reicht mir, ich lasse die Frau verdutzt stehen und versuche mich in Richtung der gefühlten Ortsmitte durchzuschlagen, von dort kenne ich mich dann wieder aus. Mittlerweile stehen 19km auf der Uhr. Von Gauting sind es jetzt noch 20km nach Hause. Uiuiui, das wird jetzt aber wirklich eine lange Runde. Naja, vielleicht lasse ich mich ja in Pasing oder so abholen. Ich ziehe weiter Richtung Pasing. Zeit mal ein Gel zu testen. „Fruit Gel (Red Fruit Punch)“ von Powerbar.
Igitt!!!
Das Zeugs ist dermaßen süß, dass es mich spontan würgt. Schnell spüle ich den Kleister mit einem ordentlichen Schluck aus dem Camelbak runter. Also, ein PowerGel kommt in zwei Wochen nicht an den Start, soviel ist sicher.
Ab km 25 komme ich langsam ins Grübeln ob mein Vorhaben nicht doch etwas zu ambitioniert ist, schließlich habe ich ja erst vor vier Tagen einen flotten marsch um den Tegernsee absolviert, und gestern bin ich ja auch schon wieder 9km gelaufen.
Bei km 28 stelle ich die gesamte Lauferei in Frage, aber da bin ich ja nicht der erste, der in diesem Zustand auf diesen Gedanken kommt.
Bei km 29 denke ich nur noch an km 30. Von nun an ist jeder Schritt ein Sieg. Niemals zuvor bin ich weiter gelaufen. Ich genieße das Gefühl.
Bei km31 ist die Euphorie verflogen. Ich mache mir Sorgen um den Zustand meiner Knie. In Pasing muss ich durch eine Unterführung, das leichte Gefälle lässt meine Knie besorgniserregend wackeln, gleich haut‘s mir die Patella raus. Na, wenn das Gelenk zu Bruch geht, kann ich‘s ja mit dem letzten PowerBar Gel wieder zusammen kleben, das hält sicherlich.
Ab km 32 erwäge ich, mich von meiner Frau abholen zu lassen, bei km 33 fällt mir allerdings ein, dass heute Elternabend in der Schule ist, und ich schon zu spät dran bin. Ab km 34 gehe ich mögliche alternative Taxifahrer durch, doch die sitzen alle auf der Wiesn, und sind jetzt sicherlich nicht mehr fahrtauglich.
Bei km35 kommt die Erlösung in Form einer Bushaltestelle der Linie 162 zum Moossacher Bahnhof. Von dort sind es nur noch zwei U-Bahnstationen zur Dusche. Ich kann der Verlockung nicht widerstehen und warte auf den Bus. Es wären jetzt noch gut 6-7 km bis nachhause, aber MT will ich ja erst in zwei Wochen laufen. Heute sollen mir die 35 km in 3:32h reichen.
Während ich auf den Bus warte leere ich mein Camelbak. Hätte ich geahnt wie lange der Bus bis zum Bahnhof braucht, hätte ich mir das letze Wasser vielleicht etwas besser eingeteilt. Der Bus gondelt eine geschlagene halbe Stunde durch mir bis dahin völlig unbekannte Stadtteile.
–ich will nachhause, ich habe Durst-
Das Camelbak gibt nichts mehr her, egal wie stark ich am Mundstück sauge, es röchelt nur noch.
Ich bin so fertig, ich kann nicht mal mehr schwitzen. Weshalb kribbeln eigentlich mein Finger so? Hyperventiliere ich etwa?
Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich endlich am Moossacher S-Bahnhof an. Nach der halben Stunde Busfahrt haben sich meine Beine von Hochleistungssportgeräten zu wabbeligen Gummischläuchen gewandelt. Die Rolltreppe zur U-Bahn fährt natürlich wieder in die falsche Richtung.
-könnte mir hier mal jemand die Treppe runter helfen?-
Endlich zuhause, nehme ich das alkoholfreie Weißbier direkt mit unter die Dusche. In zwei Wochen stelle ich dann wohl noch einen Hocker in die Dusche.