Weihnachten feiert Familie –timekiller- traditionell bei den Schwiegereltern in der Nähe von Oldenburg.
Da Oldenburg nicht gerade um die Ecke liegt, steht vor Weihnachten erstmal die lange Fahrt in den Norden an. Als alter Staustratege legte ich den Abfahrtstermin auf 23.12; 18:00 Uhr, und lag damit diesmal genau richtig, denn die Unbillen des Winterwetters, wie Schneeregen /überfrierende Nässe / Blitzeis…, zogen bereits am Nachmittag über Mittel und Norddeutschland hinweg, da suchte ich noch verzweifelt in München nach einem Geschenk für die Gattin. Gut 8 Stunden haben wir dennoch für die Strecke gebraucht und damit waren wir noch gut bedient, denn ab Paderborn ging es über eine geschlossene Schneedecke. -Was tut man nicht alles für die Familie-
OK, ganz selbstlos war das nicht, ich wollte die Weihnachtstage nutzen um noch ein paar lange Läufe, die ich in den letzten Wochen etwas vernachlässigt hatte, in einer anderen, vor allem ländlichen, Umgebung zu absolvieren. Für einen Stadtläufer ist das ein absoluter Genuss, wie Weihnachten eben.
Daher stopfte ich mich gleich am 24.12. Nachmittags in meine Funktionsklammotten und los gings. Aber wohin? Meine Strecke durch den Wald und über Feldwege die ich sonst bei meinen Besuchen immer gelaufen bin, lag tief verschneit im Winterschlaf, da war kein Durchkommen möglich.
Während mein Forrunner im Garten noch den Satteliten sucht, suche ich auf www.mapmyrun.com nach einer Alternativstrecke, die hoffentlich über geräumte Rad und Fußwege führt. Ok, zum warm werden, einfach mal in den Nachbarort und zurück.
Auf dem Radweg ging es dann von Wardenburg Richtung Littel, der Weg war geräumt aber nicht ganz Schnee und eisfrei, aber dieses Jahr ist man das ja schon gewohnt. Vor Littel beschließe ich den Radweg zu verlassen um, über den Lübbersdamm um Littel herum zu laufen. Der Schnee auf dem Sträßchen ist festgefahren, und ziemlich rutschig, stellenweise sorgen Schneeverwehungen für kleine Tiefschnee Einlagen.
Streckenweise ist die Sicht diffus, alles um mich herum ist weiß, der Weg, die Felder rechts und links, der Himmel… Mir wird ganz schwummerig, da dem Blick etwas fehlt um es zu fokusieren.
Nach Littel komme ich wieder auf eine größere Straße mit Radweg und biege rechts ab, um wieder nach Littel zurück zu kommen. -Ein folgenschwerer Fehler- Ich wundere mich noch, dass der Radweg nach dem Ort wohl die Fahrbahnseite gewechselt hat, aber OK, warum nicht.
Ich laufe weiter, auch wenn mich das Gefühl beschleicht, irgendwie die Orientierung verloren zu haben, aber das mag daran liegen, dass ich die Gegend nicht gut genug kenne und irgendwie sieht das momentan eh alles gleich aus. Plötzlich stehe ich vor dem Ortsschild „Charlottendorf-West“
-wo bin ich-
Diese Frage kann ich schnell klären da am Ortseingang eine Umgebungskarte steht. Der Platz vor der Infokarte ist natürlich nicht geräumt und so stehe ich in 20 cm tiefem Schnee und versuche mich zu orientieren, während mir der Schnee in den Schuh rieselt.
OK, ich bin falsch abgebogen und bin im Nachbarort gelandet, ich könnte jetzt natürlich einfach wieder umdrehen, aber da ich lieber Rundkurse laufe, versuche ich mir eine andere Wegvariante einzuprägen. Jetzt gleich links Richtung Charlottendorf-Ost und dann die nächste Straße wieder links zurück Richtung Littel. Ich laufe wieder auf einem schmalen Sträßchen, mir fällt auf, dass nirgends gestreut ist. Etwas Splitt würde das Fortkommen erheblich verbessern. Wenn ich so drüber nachdenke fällt mir auf, dass die Größe des Streugutkörnung mit der geografischen Breit nach Norden hin abzunehmen scheint. Während noch in Österreich die Korngröße bei stattlichen 10 -15 mm liegt, ist die Körnung in Bayern und Baden-Würtenberg bei durchschnittlich 5mm. Hier im Norden scheint man überhaupt nicht mehr zu streuen. Und gerade hier ist die Dichte der Sommerreifenfahrer besonders hoch. Eben hat mich wieder ein Kleinwagen mit durchdrehender Vorderachse überholt… Hätte der Motor nicht so geheult, ich hätte den Wagen nicht gehört, da der Schnee sämtliche Geräusche schluckt.
Eigentlich hätte die nächste Abzweigung nach ca. 1 km kommen sollen, bisher war da aber nix, nach 2km kommt endlich eine Straße. Der Name der Straße lautet anders als der, den ich mir versucht habe einzuprägen. –egal- ich muss hier links ab, sonst komme ich bis zur Bescherung nicht mehr nach Hause. Die Straße geht nun kilometerlang gerade aus. Am Horizont kann ich ein kleines gelbes Auto erkennen, das alle 100 Meter anhält. Da werden wohl noch die letzten Pakete ausgeliefert. Es pfeift mir ein eisiger Wind entgegen. Ich habe das Gefühl ich stehe. Meter für Meter kämpfe ich mich weiter. So langsam wird’s anstrengend und ich beginne mich zu fragen, was mich geritten hat heute und hier zu laufen. Es ist Weihnachten und ich stolpere hier durch die Gegend. Irgendwann bin ich mit dem Postboten auf gleicher Höhe, ich grüße Ihn mit einem „Moin“, Der Postbote winkt mir zu während er durch den Schnee zu einem Hof stapft. Das nächste Ortschild läßt mich aufatmen, „Littel“, ich weiß wieder wo ich bin. Ich laufe durch den Ort, zurück auf die Bundesstraße die mich zurück nach Wardenburg führt. Die einzigen Fußspuren auf dem Radweg sind von mir. Ich habe zwar keine Kraft mehr, aber ich stelle fest, dass meine Schrittlänge zugenommen hat, ich schaffe es nicht in meine eigenen Stapfen zu treten. Ist das das Geheimnis des negativen Splitts?
Aus meinen Gedanken reißt mich ein hupendes Auto das neben mir langsamer wird, es ist der Postbote und fragt, ob er mich ein Stück mitnehmen soll, ich muss ein fürchterliches Bild abgegeben haben, aber diese Schmach kann ich nicht zulassen, dass mich die Post auf dem Hof der Schwiegereltern abliefert. Ich lehne dankend ab, und versuche zu lächeln.
Ziemlich KO, und vollkommen durchgeschwitzt komme ich zu hause an. 15 km stehen auf der Uhr, bei einer durchschnittlichen Pace von 5:20, nicht schlecht, aber ich bin völlig alle. 5 km gegen den Wind kann mit jedem Bergtraining mithalten. Das wars, die nächsten paar Tage wird nur noch gechillt. Scheiß auf Dein Trainingsplan. Ich überlege meine dampfenden Schuhe gleich ins Auto zu packen, damit ich nicht nochmals in Versuchung geführt werde.
Ich komme in die warme Küche, meine liebe Familie schaut mich ungläubig an, „Wie? Du warst Laufen? Bei dem Schnee, du spinnst ja!“ Trotzdem bringt mir meine Tochter eine Flasche Vilsa (das beste Mineralwasser Norddeutschlands). Der Inhalt der Flasche verdampft noch in meiner Kehle bevor er den Magen erreicht. Während ich saftend auf der Küchenbank sitze und in Gedanken mein Läuferjahr abschließe, macht mich meine Schwägerin charmant darauf aufmerksam doch mal die Dusche aufzusuchen. „Ich glaube Dein Deo hat versagt“. Mit wackligen Knien erklimme ich die steile Treppe zu unserem Zimmer. Ich werde den heilig Abend wohl im Bett verbringen müssen, denn die Treppe komme ich nicht wieder runter…
Unter der warmen Dusche, kommt etwas verspätet das „Runners High“ „Mensch ist das schön“ durchströmt es mich . Die Glückshormone fangen an zu blubbern. In Gedanken feile ich schon wieder an meiner nächsten Tour, diesmal aber gleich eine richtig große Runde. Aber erst morgen, jetzt freue ich mich auf Heilig Abend mit den Kindern.
Ich wünsche Euch allen schöne Weihnachten, und viele tolle Laufmomente für 2011.
-timekiller-