Freitag Nachmittag, Berufsverkehr in München. Die Stadt ist voll. Ich komme von Starnberg, meine Tour führt mich direkt ins Zentrum (Sendlinger Tor), danach geht’s nach Harlaching, und dann wieder komplett quer durch München nach Moosach. Im Stop-and-Go geht es gemächlich vorwärts. Im Radio gibt es nur ein Thema. „Der Verkaufsstart des neuen Apple iPHONE 5“, es wird von Menschen berichtet, die 9 Stunden, also in Worten -„NEUN“- Stunden vor den Läden ausgeharrt haben um schließlich ein simples Telefon zu kaufen. Ich bin fassungslos. –wie blöd kann man denn sein- Kann man das nicht übers Internet bestellen? Ich bin fassungslos, womit die Leute Ihre Zeit verplempern. Das würde ich ja nie tun…
Wobei, mein Vorhaben, nach meinem Termin im Zentrum, das nächste Date in Moosach mit einem Schlenker über Harlaching anzufahren, ist jetzt auch nicht der puren Vernunft entsprungen.
Nach dem langen Lauf am vergangen Wochenende mit Frank, gärte in mir der Gedanke, vielleicht doch noch beim Tegernseelauf teilzunehmen. Nicht als Wettkampf, nein, eher so als Trainingslauf. Eine Woche vor einem Marathon einen Halbmarathon auf Zeit zu Laufen wäre ja auch ziemlich dämlich. Laufexperten würden mir diesen Lauf regelrecht um die Ohren hauen. Zu Recht.
Aber als lockerer Trainingslauf? Mal das ursprünglich angesetzte Wettkampftempo testen. Wie fühlen sich 5:18 auf 21km an, und vorallem was sagt der Oberschenkel dazu. Die Pace ist machbar. Am Wochenende müsste ich ohnehin laut Plan 13km im Wettkampftempo absolvieren, da kann ich dann auch gleich die 20 bzw. den HM voll machen, und dann auch noch Wettkampfatmosphäre schnuppern. Wieso also nicht.
Die Homepage vom Tegernseelauf bringt dann schnell die Ernüchterung „Ausgebucht“. Auch eine freundliche Mail an den Veranstalter mit der vorsichtigen Anfrage, ob es vielleicht noch ein Minikontingent an der Tageskasse gibt, ändert nichts an der Tatsache: Ausgebucht ist Ausgebucht
Naja, dann eben nicht, war ja nur so ne Idee.
Aber das Schicksal meinte es gut mir. Passend zum Geburtstag von Emil Zatopek, erhalte ich über Twitter eine Meldung von Frank, dass er am geplanten Tegernseelauf aus privatorganisatorischen Gründen nicht teilnehmen kann.
-Hoffnung keimt auf-
Und so fahre ich nun zwei Stunden durch die Stadt um einen Startplatz für einen Lauf abzuholen, bei dem ich voraussichtlich nicht mal zwei Stunden auf der Strecke sein werde. Tja, Läufer …
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Sonntag früh geht’s dann für meine Verhältnisse zeitig aus den Federn, denn die Anreise nach Gmund am Tegernsee sollte nicht zu kurzfristig erfolgen. Bei meiner ersten Teilnahme vor drei Jahren hätte ich beinahe den Start verpasst, da ich bis kurz vorher noch im Anreise-Stau stand. Daher zog ich wie schon letztes Jahr die alternative Anreise mit der Bayerischen Oberland Bahn (BOB) vor.
Da das Wetter gut zu werden schien waren neben den Läufern auch jede Menge Ausflügler und Wanderer unterwegs und die Bahn war damit entsprechend voll. Wäre es erlaubt, wären sicherlich auch einige auf dem Dach gesessen, aber in Bayern ist das natürlich verboten, wir sind ja hier nicht in Indien. Aber die Stimmung im Zug ist gut, da gibt’s keine Gemurre und Gemaule, alle sind ja freiwillig hier. Montags früh in der U- und S-Bahn herrscht da eine andere Stimmung. Und wenn man schon so nah beisammen steht kann man sich auch gleich unterhalten und so ergeben sich nette Gespräche.
In Gmund angekommen, meldete ich noch schnell die Startnummer auf meinen Namen um, nicht dass ich durch meinen Trainingslauf, Franks Ruf als Ausdauersportler ruiniere. Das Ummelden war auch überhaupt kein Problem, kostete zwar 10€ Gebühr, war aber ansonsten problemlos. Andere Veranstalter stellen sich ja da so ein bisschen an. Naja, eigentlich nur SCC EVENTS, die den Berlin Marathon veranstalten. Die machen generell keine Ummeldungen und auch das Laufen mit fremder Startnummer ist verboten. Ein tiefes „BUUUUUUUHH“ an dieser Stelle an SCC EVENTS Berlin!!! Es geht auch anders!
Der Start/Ziel Bereich in Gmund, der direkt hinter dem Bahnhof liegt, ist etwas eng, daher können auch nur 4600 Teilnehmer an diesem Lauf teilnehmen, da verwundert es dann doch, dass der Veranstalter einen VIP Bereich mit Bistro Tischchen und Pavillon Zelten von dem ohne hin schon spärlichen Platz abknapst.
Ich weiß nicht so recht was ich von VIP Bereichen bei Volksläufen halten soll. Auf der einen Seite verstehe ich ja, dass Sponsoren etwas Ihren Partnern und Kunden bieten wollen, auf der anderen Seite nervt mich dieses VIP-Gedöns. Ich finde das passt nicht zu einem Volkslauf. Wir sind doch hier nicht bei der Formel-1. Naja, muss wohl so sein. Laufen ist ein Massensport geworden, da mögen sich wohl manche von der Masse abheben… mir egal, ich gehöre zum gemeinen Laufvolk und da fühle ich mich wohl. Außerdem habe ich heute gute Laune…
Wirklich, meine Laune ist glänzend, ich genieße das geschäftige Treiben im Start/Zielbereich, ich bade mich in Vorwettkampf-Atmosphäre. Innerlich sollte ich ja ganz ruhig sein, schließlich geht es für mich ja um nix, ich plane keine Bestzeit oder so, sondern will nur locker mit dem Feld mitrollen, aber die Wettkampf-Nervosität nimmt auch von mir Besitz. Das ist schon erstaunlich, wie ergeht es mir dann erst in einer Woche, AuWeia!
Es bleibt auch noch genug Zeit, um mich locker 2,5 km einzulaufen um mich dann im MitteIfeld in den Startblock einzureihen. Hier ist es weniger eng als eben noch in der BOB. Alles sehr entspannt, zumindest in dem Bereich in dem ich stehe. Die Zielzeit meiner unmittelbaren Nachbarschaft liegt so zwischen 1:45h und 2:00h, also genau mein Bereich.
Mit 5 Minütiger Verspätung geht’s dann los. Die Meute stürmt davon, ich lasse mich mittreiben, und bin natürlich wieder viel zu schnell. Ich ziehe bewusst die Handbremse an, dennoch sind die ersten zwei Kilometer mit 5:08 noch zu schnell. Ich ziehe die Handbremse weiter an, und hänge mich an einen älteren Herren, der genau eine 5:18 läuft. Für seine Zielzeit von 2:00h ist er eigentlich auch zu schnell. Aber das sind hier alle. Das ist auf dieser Strecke auch nicht schwer, von Gmund nach Rottach-Egern geht es stetig bergab, (abgesehen von der kurzen Steigung in Tegernsee.) Aber ab km 11 geht’s dann wieder kontinuierlich nach oben und das böse Ende kommt dann bei km 16, eine gut 1,5km lange Steigung bei Bad Wiessee. Das wird vielen den Zahn ziehen. Dort ging ich von 3 Jahren jämmerlich ein. Die Steigung bei km 19 gibt einem dann den Rest. Damals hatte ich in Rottach-Egern eine sensationelle Durchgangszeit auf die 10km und es schwante mir, dass ich dieses Tempo unmöglich bis ins Ziel bringen kann. Ich ging dann am Ende auch fürchterlich ein und zahlte ordentlich Lehrgeld. Das wird mir heute nicht passieren.
Bei der ersten Verpflegungsstelle bei km 6 verliere ich meinen Gesprächspartner. Ich selbst möchte die 21km trocken laufen. Fortan laufe ich wieder alleine, und sogleich steigt die Pace wieder Richtung 5:10. Runter bremsen… Noch fühle ich mich wunderbar. Keine Schmerzen, der Puls tuckert im Mittelfeld rum. Das ist ein wahrer Genusslauf, hätte nicht erwartet, so etwas mal zu schreiben. Aber so ist es. Ich genieße das Wetter und die Tatsache, dass ich mit hunderten gleichgesinnten laufen darf.
Die 10km Matte passiere ich bei 52:14. Mit einem 5:14er Schnitt bin ich zwar immer noch etwas schnell, aber das Tempo fühlt sich gut an. Langsamer werde ich auf der zweiten Hälfte dann schon von selbst, da werden die Steigungen schon für sorgen. Am Tegernsee wird einem der negative Splitt schon verdammt schwer gemacht.
Die Strecke von Rottach über Egern, Abwinkel bis Bad Wiessee ist wunderschön, es geht auf kleinen Sträßchen, oder Parkwegen direkt am See entlang, vorbei an schönen Bauernhäusern und herrschaftlichen Anwesen und Wellness-Hotels.
Möglich, dass die Wellness-Hotels meinen rechten Oberschenkel ermuntert haben sich bemerkbar zu machen, jedenfalls macht sich dieser sich ab ca. km 12 mit leichtem drücken auf sich aufmerksam.
-Na, der ist ja heute zeitig dran-.
Jetzt warten wir mal bis der Kollege, das Knie, in den Schmerzreigen einsteigt. Mein Oberschenkel und das Knie sind ja wie „Dick und Doof“, „Pat und Patachon“ oder „Lolek und Bolek“, die treten immer gemeinsam auf. Mal sehen wann die Show beginnt.
Ich lasse mich nicht beirren, und lauf weiter mein Tempoe, die Stimmung ist weiterhin gut.
Bei km 14 nimmt der Druck etwas zu, und ich merke wie ich langsam etwas unrund laufe. Das Knie hält aber noch still. Ich versuche bewusst lockerer zu laufen um nicht zu verkrampfen.
Bei km 16 beginnt dann die befürchtete Steigung, ich habe aber noch den Tiger im Tank, denn ich habe mir die Kräfte ja eingeteilt und bewältige den Abschnitt auch problemlos und überhole einige Geher. Aber das Beste ist, ich spüre den Oberschenkel nicht mehr und das Knie gibt auch Ruhe. Sehr gut! Bis zur nächsten Steigung geht’s wieder gut einen Kilometer bergab, ich ziehe wieder die Handbremse an, schließlich will ich ja heute keine PB aufstellen sondern eher gleichmäßig laufen. Trotzdem springt eine 4:55 raus. OK, es ging den Berg runter, da ist diese Pace keine Kunst. Nach der letzten Steigung mag ich es dann aber doch wissen, auf dem letzten Kilometer zünde ich die –timekiller- Rakete und setze zur Endbeschleunigung an. Mit 1:50:40.7 (5:14min/km) schließe ich meinen sonntäglichen Trainingslauf ab und bin damit sogar um eine halbe Sekunden schneller als Kai Pflaume der auch am Tegernsee angetreten ist. Na, wenn das mal kein Erfolg ist, dann weiß ich aber auch nicht.
Während Kai seine Zielverpflegung wohl im VIP Bereich einnimmt, geselle ich mich zum normalen Volk. Aber die Verpflegung fürs Volk braucht sich nicht zu verstecken, ich habe selten eine üppigere Zielverpflegung gesehen als hier. Es gibt neben Apfelschorle und Mineralwasser natürlich alkoholfreies Bier, warmen Tee, Obst, Brezen, Wurstsemmeln, Käsesemmeln, Riegel, Jogurt, wahrscheinlich auch Kuchen. Und es war von allem wirklich reichlich da. Soviel, dass es sogar einzelne Beutelratten anlockte, die sich Ihre Startbeutel und Blousons mit Riegeln und Jogurt voll stopfen.
Das einzige was im Bereich der Zielverpflegung fehlte waren Sitzgelegenheiten, dafür war einfach kein Platz mehr. Aber sitzen konnte ich diesmal auf der Rückfahrt.
Das war ein wirklich schöner Lauf, auch wenn es in Hinblick auf Berlin jetzt vielleicht nicht die klügste Entscheidung war, ich hätte den Lauf nur ungern verpasst. Vielen Dank an Frank, an dieser Stelle nochmal, der mir seinen Startplatz netterweise überlassen hat.
-Danke-