Schlaflos durch die Nacht

Sonntag, November 30, 2014

Timewarp

seit vielen Jahren besteht der Brauch im Frühjahr und im Herbst die Uhren umzustellen. Was das genau bringen soll weiß keiner mehr so genau. Angeblich verfolgte man ursprünglich den Plan dadurch Energie einzusparen, da das Tageslicht so besser ausgenutzt werden könne.
Mittlerweile bezweifeln selbst Experten die Auswirkung dieses Tuns. Trotzdem hält man an dieser Gewohnheit fest. Steckt da vielleicht doch etwas anderes dahinter? Etwas, das wir mit unserem begrenzten Horizont gar nicht fassen können?

Die Zeit ist eine der komplizierteren physikalischen Größenarten.  Im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen hat die Zeit eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. Und dennoch widersetzen wir uns jedes Jahr diesem Naturgesetzt aufs neue. Durch die halbjährliche Zeitverschiebung entstehen Kräfte die mit herkömmlichen Messgeräten noch nicht zu erfassen sind.

Empfindliche Menschen leiden unter Schlaflosigkeit, sind niedergeschlagen, neigen zur Depression und Ihr Tagesrhythmus ist für Tage, gar für Wochen im Arsch Eimer.

Auch ich gehöre zu der Sorte Mensch, die empfindlich reagiert wenn die Zeit widernatürlich beschleunigt bzw. verzögert wird.  Die Herbstumstellung, bei der man faktisch eine Stunde Schlaf geschenkt bekommt, bereitet mir seit jeher das größte Problem.
Durch die „geschenkte“ Stunde, wache ich zu früh auf, kann aber morgenmuffelig wie ich bin, mit der Zeit nix anfangen.  Dafür wird es Abends  früher dunkel, und ich werde früher müde,  so komme ich zu nix, bin nur müde und keiner erledigt die Arbeit. -ein Teufelskreis-

Ich wäre nicht der -timekiller- würde ich nicht mit dem Phänomen Zeitumstellung experimentieren. Schon in frühster Jugend versuchte ich im Selbstversuch mich der Zeitumstellung entgegen zu stemmen.

Durch rigoroses „Durchmachen“ versuchte ich dem Fluch der Zeitumstellung zu entgehen.

Jetzt ist das „Durchmachen“ von Nächten meist mit einem erheblichen Alkohlabusus verbunden, wodurch das Empfinden für Raum und Zeit aber komplett aus den Fugen gerät und ausnahmslos mit Kopfschmerzen endet.

Vor 3 Jahren formierte sich mit Chief-Balla, Running Twin Henrik und mir die BZM-Gruppe  mit einer Besseren-Zeitumstellungs-Methode, die dem Malheur (vgl. schlechte Zeit) sportlich zu leibe rückt. Die BZM-Groundcrew tritt vehement dem Zeitchaos entgegen und weiß die Nacht der Zeitunbeständigkeit mit einem Zeittunnelmarathon bzw. BestZeitMarathon für sich zu nutzen.

Chrononauten

Die BZM-Theorie besagt, das nächtliche Zeitgeschenk in den Wind zu schlagen und statt dessen mit erheblichen Schlafentzug von mindestens 24 – 26 Stunden zu kontern. Der Körper hat so die Möglichkeit, die durch die Zeitkomprimierung freigewordene Energie aufzusaugen und zu speichern.

Die geschenkte Zeit die von „Schläfern“ nicht genutzt werden kann, entkoppelt sich von der trägen Masse und schwebt frei durch den Raum bzw. durch die Nacht, wo sie von laufenden Nachtschwärmern aufgesammelt werden kann und so zu höherer Glückseligkeit führt. Um möglichst viel „freie Zeit“ aufzusammeln gilt es, die entkoppelte Raumzeit zu bündeln und in einen Art Strudel zu kanalisieren.

Dazu organisiert die BZM-Grondcrew  um Mitternacht einen Marathon, was nichts weiter ist als eine Art Zeit-Zentrifuge, in der unerschrockene Chrononauten  den Nachtraum auf einem  Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn laufend durchqueren und so aus der Umgebung weitere „freie Zeit“ ansaugen können zur Maximierung des eigenen Läuferglücks.

Als kleiner, aber nicht ganz unerheblicher Nebeneffekt  kann in dieser Nacht der Marathon eine Stunde schneller gelaufen werden als sonst. Das ist die Chance für ambitionierte Freizeitläufer auch mal in die Nähe des Marathon-Weltrekords zu kommen.
Nach solch einer  durchwachten und durchzirkelten  Nacht ist der Körper dann bereit, sich jedem Rhythmus neu unter zu ordnen, ohne wenn und aber.

Die Zahl der Chrononauten  steigt rasch. Waren es beim Ur-BZM vor 3 Jahren noch 7 wagemutige Läufer, zirkelten dieses Jahr 96 Timebandits durch die Nacht. Dabei rekrutieren sich die Chrononauten nicht nur aus lokalen Timejumpern, sondern zieht Chrononatuen auch ganz Deutschland, gar aus ganz Europa an. Neben Luxemburg, Schweiz, Österreich waren dieses Jahr auch Läufer aus Frankreich mit am Start. Deichläufer Volker kam extra quer durch die Republik angereist um an unserem Zeitexperiment teilzunehmen.

Mit dem Weltrekord hat es dieses Jahr zwar nicht geklappt, aber die Sache mit der Glückseligkeit scheint zu funktionieren. Nachts um 4:00 Uhr habe ich in durchweg glückliche Gesichter geblickt. Glück überfällt einen ja nicht so einfach im Alltag. Für echte Glücksgefühle muss man etwas besonderes machen, etwas wagen, seine persönliche Komfortzone verlassen. Und kann man seine Komfortzone besser verlassen als nachts bei herbstlicher Witterung im hügeligen Münchner Ostpark?

HappyRunners1

Ich glaube kaum…

12 Comments

  1. Henrik sagt:

    Also besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können! Der letzte Absatz könnte von einem Motivationsguru stammen. Ach, stammt er ja auch! Und ein neues Wort habe ich gelernt: Alkoholabusus. GROßARTIG!

    1. -timekiller- sagt:

      🙂 Danke für die Blumen 🙂

  2. Daniel sagt:

    Ich bin ja für jeden Blödsinn zu haben, deswegen kann ich den BZM und das ganze Drumherum nur begrüßen. Auch wenn ich sicherlich nicht so schnell teilnehmen würde… aber allein die Idee und der steigende Teilnehmerkreis ist schon klasse 🙂

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Daniel,

      solltest Du Dich mal an einem Marathon versuchen, kann ich Dir den Bestzeitmarathon nur empfehlen. Wo gibts es sonst alle 2km einen Verpflegungsstand.

      Grüße -timekiler-

  3. Marion sagt:

    Es war wieder eine echt klasse Veranstaltung. Und auch ich hatte die ganze Nacht ein breites, glückliches Grinsen im Gesicht! Besonders grinsen musste ich, wenn ich an die Beschreibung:“Welliger Kurs“ dachte…. Aber nach 20 Runden hatte ich mich dran gewöhnt 😉 Ich freue mich auf´s nächste Jahr!!!

    1. -timekiller- sagt:

      Ttja Marion,
      nur die Harten kommen in den Garten 🙂 Gell?
      Vielleicht laufen wir ja nächstes Jahr am Fröttmaninger Berg 😉
      Grüße -timekiller-

      1. Norbert sagt:

        logisch, Start und Ziel oben am Windrad oder doch lieber nur rund um´s Schlauchboot. Ich komm aber nur wenn´s blau leuchtet 🙂

        1. -timekiller- sagt:

          Hallo Norbert,
          na, dann scheidet Fröttmaning wohl aus, wir wollen ja niemanden ausgrenzen. Oder wir bekomen einen Deal hin und lassen das Schlauboot lila leuchten. Wobei ich zugeben muss, dass die Arena in blau wesentlich cooler aussieht. Mögliche Vereinszugehörigkeiten sind dabei natürlich völlig unerheblich 🙂
          Grüße -timekiller-

  4. Deichlaeufer sagt:

    Dieser Post stellt mal wieder die Krönung der Wortschöpfung dar. Aber wie soll es auch sein, wenn sich gerade der TIMEKILLER dem Thema Zeitumstellung widmet 😉

    Schön, dieses komplizierte physikalische Event mit etwas Abstand nochmal wieder vor Augen geführt zu bekommen.

    Ich kann nur sagen, die Reise quer durch die Republik hat sich gelohnt! 🙂

    Grüße aus Deiner zweiten Heimat
    Volker

    1. -timekiller- sagt:

      Hallo Volker,

      toll dass Du dabei warst. Ich glaube bzgl. Entfernung hattest Du die weiteste Anreise.

      Grüße -timekiller-

  5. Anja sagt:

    Wunderbar! Jetzt weiss ich endlich, was mit all der freigesetzten Zeit passiert- das war mir bisher immer ein Rätsel. Und so sinnvoll eingesetzt! Ich bin begeistert! Danke für die Aufklärung und ein Grinsen am frühen Morgen!

  6. Laufhannes sagt:

    Ihr macht das einzig Wahre, was man mit dem Zeitumstellungsgedöns anfangen kann!

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