Was war das für ein geniales Marathon Wochenende in München! Klasse! Sensationelles Laufwetter, ich bin noch ganz benommen… Ward mir doch vor zwei Wochen, das Glücksgefühl beim Zieleinlauf des Berlin Marathons verwehrt geblieben, so bin ich heute regelrecht trunken vor Glück, und suhle mich in Selbstzufriedenheit.
Beim 10er anlässlich des München Marathons hatte ich mir nix großartiges vorgenommen, außer vielleicht unter 50 Minuten zu bleiben, aber das scheint ja mein Geheimnis zu sein. Nix vornehmen, um dann ganz unbeschwert, ordentlich einen raushauen. Es wurde keine Bestzeit, aber zwei Wochen nach dem Marathon wäre das auch zu vermessen gewesen.
Vor dem Start traf ich in den vorderen Reihen @GUracell aus Österreich, eigentlich war ich auf der Suche nach @Jensandmie, den ich bei der Kleiderbeutelabgabe verpasst hatte. Ich erkannte @GUracell sofort, praktisch, diese #Twitterlauftreff -Shirts. Nach einer kurzen Unterhaltung mit @GUracell sortierte ich mich etwas weiter hinten im Startblock ein.
Der Starschuss fällt und das Feld setzt sich in Bewegung. Wie immer sind die ersten hundert Meter etwas eng. Ich verfluche mich innerlich, weshalb ich nicht in den vorderen Reihen geblieben bin. Jetzt bin ich hier am Lieschen Müller umkurven. Beim ersten Kilometer steht die Pace bei 4:40, aber was ist das? Die Entfernungsangabe des Garmins zeigt schon km 3
– ???-
Mist, ich Trottel habe vergessen den Garmin nach dem Warmlaufen zurück zu setzen. Naja, ist ja auch egal, die Jungs von MikaTiming sind ja da, da brauche ich mir um die korrekte Zeiterfassung keine Sorgen zu machen.
Weiter geht’s. Die Kilometer laufen so dahin, ab km 3 fängt das linke Schienbein (welches auch sonst) an zu schmerzen. –Ha! Das sollen Schmerzen sein? Da lach ich ja! In Berlin, ja, das waren Schmerzen, richtig dolle Schmerzen, aber das hier, das ist ja Kindergeburtstag. -Abphü!- Ich ignoriere den Schmerz, und laufe einfach weiter. Man kommt auf die Leopoldstraße, es geht Richtung Siegestor, kurz vor dem Odeonsplatz ist die Wende, dann geht es wieder die Leopoldstraße zurück in Richtung Münchner Freiheit. Bei km 5 werden Snacks gereicht, aber ich laufe trocken durch, ich mache ja heute nur den Bambinilauf, da brauchts keine Häppchen zwischendurch. Ich versuche konstant meinen Schnitt zu halten, das gelingt auch erstaunlich gut. Geplant hatte ich ursprünglich mit einer 4:45 zu starten um dann zu sehen wie es so läuft. Die ersten Kilometer lief ich in 4:40, und hey, es fühlte sich gut an. Also, hielt ich den Schnitt und schaute wie weit ich damit komme.
Bei Kilometer sieben stelle ich fest, dass mein MP3-Player überhaupt nicht läuft. Und ich laufe IMMER mit Musik, außer ich bin in Begleitung. –Mensch, heut bin ich ja überhaupt nicht bei der Sache-. Erst den Garmin nicht zurück gesetzt, dann die Musikbox nicht angeworfen… Wo habe ich heute bloß meinen Kopf, was kommt da sonst noch?
Auf dem Weg zurück zum Olympiastadion passiert man nochmals den Startbereich bei km acht. Hier ist man bereits am Abbauen. Die Bühne für die Musikanten wird demontiert und die Werbebanner werden von den Absperrgittern entfernt. Irgendwie hat man das Gefühl man gehöre zur Nachhut. Das Publikum hat sich auch längst in den Olympiapark und ins Stadion zurück gezogen. Und dabei werden die Marathonläufer hier frühestens in einer Stunde erwartet, wie die sich dann erst fühlen werden? Ich finde, das ist der schlimmste Abschnitt beim München Marathon. Der Bereich vom Nordbad, die Schwere-Reiter Straße entlagen, die Ackermannstaße bis hin zum Eingang des Olympiaparks. Hier ist nur wenig los. Und gerade hier könnten die Marathonis am dringensten Unterstützung gebrauchen. Jedenfalls habe ich das letztes Jahr so empfunden.
Gedanklich zähle ich die Kilometer bis km 9 runter, dann will ich mal wieder die –timekiller- Rakete zünden. 1200 Meter vor dem Ziel, vor den Toren des Olympiastadions steht ein Moderator und gibt letzte Tipps über Lautsprecher. Es läuft laute Musik, ich ziehe an, jetzt will ich es wissen. Ich sammle Läufer um Läufer ein. Ich biege in das Olympiastadion ein, durch den Disko-Tunnel geht’s ins Stadion. Die Fotografen, habe Ihre Arbeit aufgenommen –blitz-blitz-blitz-. Im Stadion hätte ich eigentlich die Tartanbahn erwartet, doch dort wo früher die Tartanbahn war, wartet nun grauer Asphalt, der Rennbelag der DTM. Na, dann wollen wir halt auch noch den Turbo hinzu schalten. Die Stadionrunde führt um einen Kunstrasenplatz, auf den letzten 200 Metern wurde die Tartanbahn dann doch noch aus braunem Kunstrasen nachgebildet. Es ist, als laufe man auf einem Flokati, auf einem dicken Flokati! Jetzt bloß nicht stürzen…
Mit 46:51 gehe ich über die Ziellinie. Hach, das war ein guter Lauf. Keine Bestzeit, aber ich konnte die gesamte Strecke das Tempo kontrollieren, und das ist nicht immer so bei mir. Das fühlt sich gut an. Ich bin zufrieden. Im Ziel treffe ich Henrik, der für die RunningCompany Fotos macht. Wir unterhalten uns kurz, doch ich habe wenig Zeit, ich muss weiter. Ich hole mir noch schnell ein Getränk und schon verlasse ich die Münchner Salatschüssel wieder. Ich muss nach Hause. Meine Tochter muss pünktlich um 12:30 Uhr in Obersendling zur Ballettprobe erscheinnen, sonst gibt‘s Mecker.
Nach der Kleiderabgabe gehe ich zu meinem Fahrrad. Naja, eigentlich ist es ja nicht mein Fahrrad, sondern das Rad meiner Frau, mein alter Klepper glänzte heute früh mit einem Platten, deshalb war ich auch zu dem geplanten Treffen mit @jensandmie zu spät gekommen. Mit dem Rad meiner Frau gibt es nur ein Problem, wir haben da keinen Schlüssel mehr für das Speichenschloß, den hat die Gattin dieses Jahr auf dem Tollwood verloren, und für das neue Bügelschloß habe ich keinen Schlüssel. Der Schlüssel ist übers Wochenende in Istanbul, zusammen mit meiner Frau. Ich habe daraufhin das Fahrrad einfach so genommen, und drauf gebaut, dass das jetzt schon keiner klauen wird. Am Olympiastadion habe ich das Fahrrad einfach zu einer Gruppen von Fahrrädern gestellt, die alle wesentlich moderner und besser aussehen, als das Modell meiner Frau.
Wie ich jetzt zu dem Fahrrad komme sind die anderen Fahrräder weg. Nur meines steht noch da. Und! Es ist ABGESCHLOSSEN -!!!-
-?!?-
Hä, habe ich etwa im Reflex…, nein, ich, NIE .. Aber wer macht denn sowas? Einfach fremde Räder abschließen….
-Hargl, @#!%!!!-
Dreck, Dreck, Dreck, irgendwas ist aber auch immer. Verzweifelt rüttle ich an dem Bügel. Wir hatten seinerzeit das Fahrrad stehen lassen und es des Nachts mit dem Auto abgeholt, um dann, auf heimischen Boden mit Hilfe einer Grillgabel als Dietrich das Schloss zu öffnen. Jetzt habe ich natürlich gerade keine Grillgabel zur Hand…
Es hilft nix. Ich muss laufen. Ich muss spätestens um 12:00 Uhr zu hause sein, sonst fällt mein Zeitplan in sich zusammen. Vom Olympiastadion zur Homebase sind es genau 3km, und jetzt ist es 11:45 Uhr. Man muss kein mathematisches Genie sein, um die Pace zu errechnen, die ich jetzt anschlagen muss um im Zeitplan zu bleiben.
Laufschuhe habe ich ja noch an, die Bändel der Kleidertasche werden zusammengezurrt und los geht’s. Timekiller in Action!
Ich bin die Strecke weiß Gott schon hunderte Male gelaufen, aber noch nie so schnell, und vorallem nicht mit einem Kleiderbeutel auf dem Rücken, der mit den Wärmeklamotten und einer Wasserflasche vollgestopft ist, und wie blöd auf dem Rücken rumwackelt. Die zwei roten Fußgängerampeln auf meinem Weg ignoriere ich diesmal ausnahmsweise, und so gehe ich um 12:01 ein zweites Mal für heute über eine Ziellinie.
Ich scheuche meine Tochter ins Auto, die natürlich noch nicht fertig war, und ziehe mir selbst ein frisches Shirt aus meinem Wechselbeutel über. Mit einer Flasche Wasser bewaffnet, die ich jetzt dringend brauche, setze ich mich ins Auto und fahre quer durch München von Moosach nach Obersendling. Zum Glück kreuzt die Marathonstrecke nicht meine Route, sonst hätte ich ein richtiges Problem. Der Verkehr, die Ampeln, und die anderen Verkehrsteilnehmer sind milde gestimmt und so kann ich die Tochter um 12:28 pünktlich zur anstehenden Generalprobe abliefern.
-Puh !!!-
So, und jetzt? Ich blicke auf die Uhr. Ich könnte um 13:00 Uhr wieder am Olympiastadion sein, die Elite, die Sub3 Läufer, habe ich zwar verpasst, aber jetzt kommt das normale Volk, die haben jede Unterstützung verdient. Ich parke mein Auto bei der Bundeswehrverwaltung am Rande des Olympiaparks und begebe mich zu Kilometer 41, dort wo der Moderator die Läufer auf Ihren letzten Metern anfeuert. Hier läuft auch Musik, da kann man es aushalten.
Auf dem Handy checke ich die Position von Frank von TrackMyRun. Nach seiner letzten Zwischenzeit bei km32 wird seine Zielzeit mit 13:30 Uhr prognostiziert, das wären 3:30h. Der Hammer, der Junge ist gut unterwegs. Ich stelle mich an die Strecke und feuere die Läufer an. Leider sind die Namen, die auf die Startnummern gedruckt sind so klein, dass ich Blindfisch diese erst lesen kann wenn der Läufer eigentlich schon an mir vorbei ist. Ein persönliches ansprechen ist damit nicht möglich. In Berlin fand ich das ganz nett, wenn mir einer meinen Namen zu gerufen hat. OK, meinen Namen kenne ich im Grunde, aber trotzdem motiviert es mehr, wenn einer ruft, „Los -timekiller-, du packst das“ oder sowas eben.
Zwischendurch checke ich immer wieder das Handy, um die Zwischenzeit bei der 40km Marke von Frank abzurufen, aber die Zwischenzeit kommt und kommt nicht. Ich vermute ein technisches Problem mit der Echtzeitübermittlung der Ergebnisse. Langsam würde es Zeit werden. Ich hatte mir vorgenommen, Frank laufend bis zum Marathontor zu begleiten, vielleicht kann ich Ihn ja auf den letzten Metern noch ein bisschen ziehen. Im Stadion läuft er das dann vollends alleine.
Aus dem Nichts spricht mich plötzlich eine junge Frau an. Erstaunt blicke ich von meinem Handy auf. Das passiert mir jetzt nicht soooo häufig. Ich bin verwirrt, die Letzte die das gewagt hat, ist jetzt mit mir verheiratet.
„Hey, Du bist doch der –timekiller-?“ Ah, und dann auch noch eine Insiderin, eine Läuferin? Ich scanne meine Facebook Freundschaften, Mensch das könnte doch …
„Ich bin Sarah Emily“.
-Ja, natürlich!- Spontan umarme ich Sie. „Wir stehen da drüben und feuern 100 irische Polizisten an“
-Ah, ja!? Ich hingegen warte nur auf Frank, der muss hier gleich durchkommen, ist schon überfällig, hoffentlich ist dem nix passiert.-
Ich halte noch meine Position direkt am 41er Schild, aber Frank kommt nicht. Habe ich Ihn doch verpasst? Wahrscheinlich, als ich gerade seinen Status auf dem Handy gecheckt hab, anstatt auf die Läufer zu achten. Mist!
Ich gehe zu Sarah rüber und wir feuern gemeinsam die irischen Polizisten an, und wir unterhalten uns nett über virtuelle und reale Laufkollegen und über dies und das, und über den Plan von Sarah, nächstes Jahr vielleicht doch auch wieder beim München Marathon mitlaufen zu wollen. Ein guter Plan!
Gegen 14:30 Uhr verabschiedet Sie sich, es geht zu Ihrer anderen großen Leidenschaft, dem Eishockey des EHC Red Bull München.
Ich hingegen bleibe noch am Straßenrand stehen, und feuere weiterhin die angehenden Marathonis an, unter die sich nun zunehmend auch die Halbmarathonis gemischt haben, die um 13 Uhr vom Effnerplatz gestartet waren.
Gegen 15:30 verlasse dann auch ich meinen Posten, es wird Zeit zu duschen.
Und danach geht’s mit der Grillgabel zurück zum Olympiastadion.